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Es brodelt, und es gärt. Manch einer möchte aus der Haut fahren. Das passiert, die Unionsfraktion ist kein Mädchenpensionat. Auch wenn die Ministerinnen immer jünger werden.

Berlin - Es brodelt, und es gärt. Manch einer möchte schier aus der Haut fahren. Das passiert, die Unionsfraktion ist doch kein Mädchenpensionat. Auch wenn die Ministerinnen immer jünger werden.

So früh in der Wahlperiode ist der schwelende Unmut, der in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU mit Händen zu greifen ist, allerdings doch außergewöhnlich. Jetzt wird im Bundestag das Paket verabschiedet, dass den Eltern mehr Kindergeld, den Unternehmen spürbare Erleichterung und Erben bessere Bedingungen verschaffen soll. "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" heißt der wirklich ungemein knackige Titel. Das Gesetz sollte ein erstes kraftvolles Signal der neuen Regierung sein. Es droht zum Rohrkrepierer zu werden, denn ein Detail führt zu einem kurios-zähen Streit - der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie. "Kein Zweifel, den Start haben wir verpatzt", sagt ein renommiertes Mitglied der Fraktion, und niemand wird ihm widersprechen.

Die Steuersubvention für die Hotelbranche ist ein Projekt von FDP und CSU - die CDU hat mitgemacht, den Passus im Koalitionsvertrag mit unterzeichnet. Aber die Fachpolitiker sind empört. Klaus-Peter Flosbach ist Vizevorsitzender des Finanzausschusses. Er weist darauf hin, dass fast ein Drittel der Fraktion neue Kollegen seien. Die erlebten nun als Erstes mit, "dass man trotz der besseren Argumente eine ausgemachte Sache nicht mehr kippen kann". Und das, sagt Flosbach, "macht Ärger". Der Vorwurf richtet sich mal mehr, mal weniger direkt an die Parteiführung, also die Kanzlerin.

Wie anders ist es zu verstehen, wenn der sehr bedachte Chef der Südwest-Landesgruppe, Thomas Strobl, ganz geradeheraus zu Protokoll gibt: "Unser internes Management und die Außendarstellung müssen besser werden." Das Gefühl ist flächendeckend. Auch der Chef der Arbeitnehmergruppe, Peter Weiß, gewiss nicht als notorischer Aufrührer zu verdächtigen, beklagt, man hätte "die Sache politisch-strategisch geschickter angehen können". Es sei gelungen, aus einer Erfolgsgeschichte statt positiven Nachrichten nur Streit um einen Unterpunkt zu transportieren. Das sei "doch ein Jammer".

Dass tagelang Details aus einem unerfreulichen und lauten Gespräch der Kanzlerin mit störrischen CDU-Ministerpräsidenten die Runde machten, wird Angela Merkel als schwerer handwerklicher Fehler angekreidet. Aber die Partei- und Regierungschefin zieht derzeit auch aus anderen Gründen Unmut auf sich.

Wie in einem Brennglas bündeln sich in der Fraktion strukturelle Schwierigkeiten der Union. Derzeit macht sich das an den jüngsten Kabinettsumbildungen fest. "Nicht schon wieder die Sopos im Arbeitsministerium!", stoßseufzte jüngst ein profiliertes Mitglied des Wirtschaftsflügels der Partei. "Sopos" sind die Sozialpolitiker, und als solche gilt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ganz entschieden. Aber die personellen Alternativen der wirtschaftsnäheren Unionspolitiker erschienen der Kanzlerin als zu schwach. Und Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz parliert in Berliner Talkrunden entspannt mit seinem neuen Freund, Ex-SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, und sonnt sich in der Gewissheit, dass man ihn in der Fraktion vermisst.

Aber es mäkeln nicht nur die Wirtschaftler. Eine blutjunge kinderlose, in noch wilder Ehe mit einem CDU-Staatssekretär zusammenlebende Protestantin wird Familienministerin. Ohne Erfahrung in der Familienpolitik. Kristina Köhler hatte sich bislang mit Umwelt- und Innenpolitik beschäftigt. Die Konservativen in der Partei sind darüber mehr als irritiert. Zumal Merkel kürzlich schon einmal ihre Hoffnung enttäuscht hatte. Mit dem ebenfalls sehr protestantischen und liberalen Hermann Gröhe hat die Parteichefin ganz bewusst nicht dem Ruf traditioneller CDU-Kreise nachgegeben, die im Amt des Generalsekretärs lieber einen wackeren Streiter von altem Schlag gesehen hätten.

Jünger, grüner, städtischer - so positioniert Merkel ihre Partei unbeirrt. Das geht gut, wenn der Erfolg ihr recht gibt. Aber die Spannbreite in der Union wird allmählich so groß, dass auch in ihr die Frage umgeht, ob der Charakter einer Volkspartei auf Dauer zu halten sein wird. In der Fraktion gab es am Dienstag für den scheidenden Minister Franz Josef Jung donnernden Applaus. Dagegen tröpfelte auf Kristina Köhler ein pflichtschuldiger Höflichkeitsbeifall herab. Ein Zeichen. Mit Köhler hatte das alles so viel nicht zu tun. Aber Angela Merkel sollte die Botschaft verstehen.

Sie steht vor neuen Herausforderungen. Das dauernde Lavieren, Austarieren und Schlichten - das war die Anforderung in einer Großen Koalition. Jetzt aber wollen die Abgeordneten der Union endlich Führung sehen. Deshalb war es für die Parlamentarier so enttäuschend, dass Merkel schon solche Probleme hat, einige Ministerpräsidenten ihrer eigenen Partei einzunorden. Denn als ungleich härterer Brocken entpuppt sich der Wunschpartner - die FDP. Da zählt jemand auf: "Das Gewürge um die Hotellerie haben die uns reingewürgt, in den Ausschüssen benehmen die sich, als seien sie noch in der Opposition. Wenn die so weitermachen, wird's ungemütlich." Das ist es schon.