Die Studentin Marina Moser, Professor Lars Krogmann und Helmut Dalitz, der Leiter der Hohenheimer Gärten, werben für insektenfreundliche Wiesen. Foto: Caroline Holowiecki

Die Uni Hohenheim setzt sich in Studien und Projekten für den Artenschutz ein. Die studentische Gruppe „Bunte Wiese“ lässt es nun auf einer neuen Fläche sprießen. Die Mitglieder wollen Vorbild sein für Hobbygärtner.

Hohenheim - Helmut Dalitz ist in seinem Element. Glatthafer, Schafgarbe, Malve, Klappertopf – der wissenschaftliche Leiter der Hohenheimer Gärten zeigt eine Pflanze nach der anderen in der buschigen Wiese, und über jeden Halm weiß er etwas zu erzählen. Während etwa im exotischen Garten der Rasen im englischen Stil getrimmt ist, darf das Grün unterhalb der Weinberge üppig wuchern. Nur zweimal im Jahr mäht hier ein Bauer und macht Heu für Pferde. Ansonsten wird nicht eingegriffen. Und das nicht etwa Faulenzerei, sondern aus Umweltschutzgründen.

Auf etwa einem Drittel der 30-Hektar-Gartenfläche lässt die Hochschule es im Sinne des Artenschutzes sprießen. Dass das vor allem die Insekten freut, ist zu sehen und zu hören. Es zirpt und flattert, summt und krabbelt. Genug ist das allerdings längst nicht. Seit Jahrzehnten greift das Insektensterben in Deutschland um sich. Der Rückgang ist dramatisch. Laut der sogenannten Krefelder Studie ist in rund 30 Jahren der Bestand um 76 Prozent geschrumpft. Dabei sind die Krabbeltiere nicht nur als Nahrung für Vögel und Säuger und fürs biologische Gleichgewicht von zentraler Bedeutung, sie bestäuben auch Blüten, aus denen wiederum Früchte werden.

Ein extrem artenreicher Campus

Die Uni Hohenheim setzt sich deswegen auch anderweitig für den Artenschutz ein. In einem neuen durchs Land geförderten Forschungsprojekt beleuchtet sie gemeinsam mit dem Landwirtschaftlichen Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg, wie in der Landwirtschaft die intensive Nutzung von Wiesen und Weiden ermöglicht und gleichzeitig Umweltschutz und Artenvielfalt erhöht werden können. Im Fokus der Untersuchung stehen die Seitenränder von intensiv bewirtschafteten Flächen.

Auf den wilden Hohenheimer Wiesen lernen derweil Studenten verschiedener Fakultäten mehr über die Biodiversität. „Das ist ein Schaufenster in die Vielfalt“, sagt Lars Krogmann aus der Abteilung Insektenkunde des Naturkundemuseums, der seit 2018 eine Professur in Hohenheim hat. Außerdem werden die bunten Blühflächen den Besuchern erklärt. „Wir haben üblicherweise in den Hohenheimer Gärten 100 bis 120 Führungen pro Jahr, bei denen Vielfalt ein Thema ist“, sagt Helmut Dalitz. Zählungen hätten ergeben, dass es auf dem Gelände um die 800 Pflanzenarten gebe, die nicht von Gärtnern angepflanzt worden seien. „Es ist ein extrem artenreicher Campus.“

Vielen sei nicht klar, wie viel sie kaputtmachen

Hobbygärtnern will man Vorbild sein und sie inspirieren, auf Balkonen oder in Gärten selbst etwas für Bienen, Schmetterlinge und andere Tiere zu tun. „Wir wollen, dass sich das wie ein Lauffeuer in die Gesellschaft verbreitet“, sagt Lars Krogmann. Schon kleine Brachflächen, Blühinseln oder -streifen brächten Effekte. „Seinen eigenen Garten insektenfreundlich zu gestalten, kann wirklich jeder selbst entscheiden. Dazu braucht es keine politische Willensbildung“, sagt Helmut Dalitz.

Auch die Studenten machen mit. Marina Moser ist Mitglied der Initiative „Bunte Wiese Stuttgart“, die 2019 von Studierenden gegründet wurde. Ziel: mehr Öffentlichkeitsarbeit. In Kooperation mit dem Naturkundemuseum wurde Infomaterial über die richtige Mähpraxis oder Nahrung für Wildbienen erstellt. Die Mitglieder halten Vorträge, beraten etwa Vereine oder Schulen, die sich engagieren wollen. „Vielen Leuten ist gar nicht klar, wie viel sie kaputtmachen“, sagt die junge Biologin etwa übers Rasenmähen. Jüngst hat die „Bunte Wiese“ ein neues Projekt begonnen. Auf einer eingezäunten Fläche unterhalb des Hohenheimer Schlosses untersuchen sie, wie und wie schnell sich das Grün verändert, wenn nur zwei- statt bisher vier- bis sechsmal im Jahr gemäht wird. Und wann sich die Insekten dort wieder so richtig wohlfühlen.