Erster Windkanal-Test am Opel Ampera Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Universität Stuttgart hat gemeinsam mit ihren Partnern aus der Automobilindustrie den Fahrzeug-Windkanal kräftig aufpoliert. 15 Millionen Euro wurden in die Renovierung des Gebäudes auf dem Vaihinger Campus gesteckt.

Stuttgart - Umgepustet wurde er nicht; ja nicht einmal einem lauen Lüftchen ausgesetzt war Baden-Württembergs Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), als er am Montag zur Mittagszeit den modernisierten Fahrzeugwindkanal offiziell in Betrieb nehmen durfte. Heutzutage drückt man da nicht, wie weiland Schmids Parteifreund und damaliger Vize-Kanzler Willy Brandt am 27. August 1967 bei der Freigabe des Farbfernsehens, einen Knopf. Vielmehr geschieht dies per Mausklick am Computer, der sich in einer Glaskabine seitlich des eigentlichen Windkanals befindet. Aus sicherer Entfernung konnte der Minister dann beobachten, wie der Wind in Nebelschwadenoptik rechts und links am eigens aufgestellten Opel Ampera entlang schlingerte.

Sieben Monate lang war hier eine Baustelle, mit der feierlichen Einweihung der beim Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) angesiedelten Prüf- und Messeinrichtung wollen die Stuttgarter wieder weltweit Standards setzen. Vor rund 100 geladenen Gästen aus Wissenschaft, Automobilindustrie und Politik bezeichnete Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stuttgart, das Zusammenwirken mit den Firmen Daimler und Opel als gelungenes Beispiel der sogenannten Public-Private-Partnership, also der gemeinsamen Finanzierung durch öffentliche und private Träger. „Der modernisierte Windkanal steht in einer Reihe mit dem Stuttgarter Fahrsimulator oder den Fahrzeugprüfständen für unterschiedliche Antriebsarten und vielen weiteren High-Tech-Anlagen, die die Universität vorweisen kann.“

Im neuen Windkanal kommen, so der Vorstand des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS), Jochen Wiedemann, drei Weltneuheiten zum Einsatz, die deshalb per Patent geschützt wurden. Reale Straßengegebenheiten könnten so präzise abgebildet werden wie nie zuvor. Der Windkanal verfügt als erster weltweit über ein modular aufgebautes Wechsel-Laufbandsystem für Serien- und Rennfahrzeuge. Auf den Laufbändern im Boden können die Fahrzeuge im Schritttempo bewegt wie auf 265 km/h beschleunigt werden. Der Windkanal hat einen Strömungsstabilisator sowie einen Seitenwindgenerator. „Damit können wir das Seitenwindverhalten realistisch darstellen“, so Wiedemann. „Der Kunde fährt ja nicht im Windkanal, sondern auf der Straße. Und er will wissen: Wie fühlt sich sein Fahrzeug auch in kritischen Situationen an.“ Dies können nun in Vaihingen am Pfaffenwaldring perfekt simuliert werden. Denn ein Auto fährt nicht immer auf langen Geraden. Es wird von Strömungen beeinflusst; in der Kurvenlage oder wenn man aus einem Wald fährt, wirken verschiedene Kräfte. Der Fachmann spricht hier etwa vom „Turbulenzgrad“ oder dem „Swing auf der Seite“.

Generell geht es um die Unterstützung der Ziele des modernen Fahrzeugbaus – also die Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2). Auch sollen die Eigengeräusche des Autos verringert werden. Ein optimierter Strömungswiderstand verringert zudem den Benzinverbrauch – weshalb die ersten Windkanäle als Folge der Ölkrise 1973 forciert wurden, „damals wurde der Ölverbrauch zum Topthema gemacht“, so Stephan Wolfsried von der Daimler AG. Und Wiedemann erinnerte sich an seine eigenen Anfänge bei Audi: „Vor 30 Jahren befand sich dieses Fachgebiet noch in den Kinderschuhen, man nannte uns spaßhaft Luftikusse.“ Mittlerweile ist der Spott vorbei, im Windkanal geht es um die Zukunft der Branche.

Nils Schmid zeigte sich zufrieden, dass in Baden-Württemberg als der „Wiege des Automobils“ an der Technik von Morgen gearbeitet werde. „Für moderne Autos wird es immer wichtiger, über eine verbesserte Aerodynamik den Luftwiderstand zu reduzieren – und als Politiker weiß ich ja, wie wichtig es ist, Widerstände zu überwinden.“ Im Bereich der Mobilität bedeute ein geringerer Widerstand, dass dadurch „Kraftstoff gespart und die Reichweite von Elektroautos verlängert wird“. Mobilität „ist und bleibt ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft“. Auch wenn etliche junge Menschen heutzutage aufs eigene Auto verzichten, „so wird es für viele doch das Verkehrsmittel erster Wahl bleiben“. Und direkt an die Mitarbeiter des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren appellierte der Minister: „Machen Sie ordentlich Wind für gute Autos in Baden-Württemberg.“