Insekten und Pflanzen machen unsere Ökosysteme aus, sagt Johannes Steidle von der Universität Hohenheim. Foto: dpa/Martin Gerten

Wer sich für den Umwelt- und Naturschutz begeistert und in der Artenvielfalt ein wenig auskennt, kann sich an der Universität Hohenheim zum Feldbotanik-Experten zertifizieren lassen. Was muss man dafür wissen?

Hohenheim - Ein paar Heuschrecken, Falter und andere Insekten – „vor 40 Jahren ist in den Hohenheimer Gärten viel mehr los gewesen“, sagte Helmut Dalitz, Leiter der Hohenheimer Gärten. Er beobachte nicht nur einen Rückgang an Arten, sondern auch an Artenkennern. Das soll sich mit dem neuen Zertifikat Feldbotanik „SW Anemone 200“ ändern. Entstanden ist die Initiative aus einer Kooperation der Uni Hohenheim, des Kompetenzzentrums Biodiversität und integrative Taxonomie (Kombiota) und der Umweltakademie Baden-Württemberg.

Die ersten 20 Absolventen bekamen diesen Samstag an der Universität Hohenheim ihr Zertifikat verliehen. Geprüft wurde die erste Niveaustufe des Zertifikats. Eine Stunde hatten die Teilnehmenden Zeit, um 20 von 60 präsentierten Pflanzenarten zu identifizieren. Gattungs-, Art- und Familienbezeichnung mussten angegeben werden. „Ich wollte es einfach nochmal wissen“, sagte Stephan Rosenberg, Agrarbiologe. Er arbeitet in der Stadtverwaltung Leonberg, hat dort wenig mit Artenvielfalt zu tun. Er habe sich in die Pflanzenfamilien und deren Merkmale vertieft. „Ich habe geschaut, was blüht und mir Karteikarten geschrieben. Mein Herz hängt an dem Thema“, erzählt der Prüfling.

Die Arten und die Artenkenner werden immer weniger

„Wir wollen Leute für die Artenvielfalt begeistern und sie für das Artensterben sensibilisieren“, sagte Michael Eick, Leiter der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg. Johannes Steidle von der Uni Hohenheim und Vorstandsmitglied von Kombiota setzte die Latte höher: „Wenn man’s groß nimmt, wollen wir die Welt retten. Insekten und Pflanzen sterben. Sie machen unsere Ökosysteme aus, und davon hängt alles ab, frische Luft, Wasser.“ Parallel dazu würden die Artenkenner sterben. „Nicht einmal in Baden-Württemberg haben wir genügend Experten. Das ist beängstigend“, so Steidle. Gründe für den Rückgang lägen in der Veränderung der Lebensbedingungen. „Die Generation meines Vaters ist zehn Kilometer zur Schule gelaufen und zehn Kilometer zurück. Natürlich haben die viel mehr auf ihrem Schulweg gesehen“, meinte Eick. Zudem seien in der Wissenschaft andere Fachdisziplinen, wie Genetik und Physiologie, in den letzten Jahren gewachsen. Gleichzeitig hätten die Ausbildungsmodalitäten für den Bereich der Taxonomie abgenommen.

Jeder kann sich zertifizieren lassen

Die Zertifizierung der neuen Artenkenner erfolgt unabhängig von einem Vorbereitungskurs. Das Zertifikat kostet 20 Euro. Die Erstellung der Artenliste und der Prüfungsordnung ist aus einer Kooperation der Universitäten Freiburg, Tübingen, Landau, Hohenheim, sowie zweier Museen hervorgegangen.

Vorbild ist die Schweiz, in der schon seit zehn Jahren feldbotanisches Wissen zertifiziert wird. Dieses Modell soll an Südwestdeutschland angepasst und zukünftig auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Drei Niveaus werden zertifiziert. Auf der ersten Niveaustufe werden die 200 häufigsten Arten geprüft, auf der zweiten die 400 häufigsten Arten sowie Kenntnisse zur Biologie, auf der dritten die 600 häufigsten Arten sowie deren Zusammenleben an einem bestimmten Standort, die biologischen und ökologischen Lebensbedingungen. 70 Prozent der 200 abgefragten Arten seien in den Hohenheimer Gärten zu finden. „Regelmäßig spazieren gehen und Freude in unseren Gärten – so bereitet man sich am besten auf die Prüfung vor“, sagte Helmut Dalitz.