Ob Annabelle, Belinda, Marabel oder Bamberger Hörnchen: Für jede Koch-Gelegenheit gibt es die passende Knolle. Foto: Leif Piechowski

Sie heißen Sieglinde, Annabelle, Linda, Laura oder sogar Princess und wurden angeblich früher nach den schönsten Töchtern der Züchter benannt: die Kartoffeln, Erdäpfel oder auf gut Schwäbisch Grombira, von denen es allein in Deutschland 140 und weltweit 6000 Sorten gibt.

Stuttgart - Im Land der Spätzle ist dies wohl keine überraschende Nachricht: Baden-Württemberg rangiert als Kartoffelerzeuger weit hinter anderen Bundesländern. „Auf gerade mal 5500 Hektar werden hier Kartoffeln angebaut“, weiß Hans-Jürgen Meßmer vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg, in dessen Außenstelle Donaueschingen sich alles um die Knollen aus der Erde dreht. Aber die Anbaufläche, so Meßmer, mache hier nur acht bis zehn Prozent aus. „In Bayern“, berichtet Meßmer weiter, „ist die Anbaufläche zehnmal so groß.“ Und in Norddeutschland? Meßmer schätzt die Flächen dort auf beinahe 100 000 Hektar. Jedenfalls werden von den zehn Millionen Tonnen Kartoffeln, die pro Jahr in ganz Deutschland geerntet werden, allein 5,42 Millionen Tonnen in Niedersachsen aus der Erde geholt.

Dafür genießt der schwäbische Kartoffelsalat weltweiten Ruhm. Nicht zuletzt, seit ein Kellner in Portland, Maine, von seinen Gästen aus Stuttgart dringend das Rezept dafür haben wollte. Dem Manne konnte natürlich geholfen werden. Hoffentlich hat er auch die richtigen, festkochenden Kartoffeln bekommen. Meßmer rät zur Sorte Annabelle: neutral im Geschmack, schöne Konsistenz, aber nicht gut lagerfähig. Oder zur neuen Züchtung Allians: glatte Schale, tiefgelbe Farbe, robust. Seit Jahrzehnten bewährt ist auch die Sieglinde, eine relativ kleine Knolle. Aber für die Bauern Reinhold Ruess in Sielmingen und Siegfried Kömpf in Birkach ist die Annabelle bei der Zubereitung von Kartoffelsalat eindeutige Favoritin. Aus ihren Äckern holen sie im Juni die ebenfalls für Salat geeignete Belana als erste Frühkartoffel der Region. Sie hat als neue Züchtung die Linda, der viele nachtrauerten, abgelöst. Für Bratkartoffeln raten beide Experten zu Marabel und Krone. Und was ist das Lieblingsgericht? „Pommes frites zum Sonntagsbraten“, gesteht Ruess. Aus den Sorten Agria oder Krone, Speisekartoffeln mit großen Knollen. Natürlich aus eigenem Anbau.

Ein Genuss, der nicht mehr mit krummem Rücken erarbeitet werden muss. Vollernter haben längst die Roder-Maschinen abgelöst, hinter denen die an die Oberfläche beförderten Knollen aufgeklaubt werden mussten. Darum hatten die Kinder früher keine Herbstferien. Sondern Kartoffelferien, vom dörflichen Schulmeister dann ausgerufen, wenn die Bauern die kleinen Landarbeiter brauchten. Dass sich die Besucher neulich beim Kartoffeltag in Hohenheim mit solcher Begeisterung wie einst bückten, um kosten-los und kiloweise Kartoffeln wegtragen zu dürfen, verwundert eigentlich. Denn der Verbrauch ist in der Bundesrepublik auf 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr gesunken. „Und davon werden nur 30 Kilo frisch verzehrt“, klärt Meßmer auf. Der Rest kommt als Chips und Fritten daher. In der Nachkriegszeit seien es noch 224 Kilo gewesen.

Manchmal sind Kartoffeln auch die reine Enttäuschung

So manche Hungersnot wurde gelindert oder gar vermieden, seit spanische Eroberer im 16. Jahrhundert das Nachtschattengewächs Solanum tuberosum von Südamerika mit nach Europa brachten. In Deutschland sollen die ersten Kartoffeln 1647 in Oberfranken angebaut worden sein und von 1738 an im großen Stil in Preußen. Friedrich II., der Große, hat angeblich seinen Untertanen die Erdknollen als große Kostbarkeit schmackhaft gemacht, indem er an den Äckern sogar Wachen aufstellte.

Manchmal sind Kartoffeln auch die reine Enttäuschung. In Geschmack und Konsistenz. „Das kommt vor“, bestätigt Meßmer. Auch 2013 war eigentlich kein gutes Kartoffeljahr. Zuerst zu nass, dann zu trocken. „Bis Juni sind sie fast abgesoffen“, erinnert Meßmer an das lang anhaltende schlechte Wetter, bei dem Krautfäule und Knollenfäule drohen. Und als es dann so heiß und trocken wurde, dass der Erddamm riss, freute sich der Kartoffelkäfer. Das senkt den Ertrag und hebt den Preis. 30 bis 40 Prozent betrage in diesem Jahr die Einbuße, schätzt Meßmer. Mit den 16 Euro, die sie als Direktvermarkter für 25 Kilo bekommen, sind Ruess und Kömpf ganz zufrieden. Und Meßmer rechnet vor, dass die Bundesbürger bei einem Einzelhandelspreis von 1,10 bis 1,20 Euro pro Kilo nicht mehr als 50 Euro für ihren jährlichen Kartoffelkonsum ausgeben müssen.

Den Wunsch nach immer neuen Genüssen sollen Knollen wie die Blaue Elise, der Blaue Schwede, die Rote Emmalie oder der Rosa Tannenzapfen in bunten Farben erfüllen. „Die schmecken auch nicht anders“, urteilt Meßmer. Das gelte auch für die Bamberger Hörnchen, gerade „Kartoffeln des Jahres“. Für völlig verzichtbar aber hält er die frühen Importe aus Zypern und Ägypten im Januar. „Gute Lagerkartoffeln halten bis Mai.“ Er selbst isst sie am liebsten als Pellkartoffel. Eine wahre Schlankheitsdiät, „denn Kartoffeln entwässern und sind kalorienarm“. Natürlich nur, wenn man die Butter weglässt.

Kartoffeln mit Sorgfalt behandeln

Kartoffeln muss man so sorgfältig behandeln wie eine Frau, heißt eine Bauernregel. Denn sie ist ernährungsphysiologisch besonders wertvoll, kalorienarm und entwässernd. Mit wichtigen Mineralstoffen wie Kalium, Phosphor, Natrium, Calcium und Magnesium. Mit Spurenelementen wie Eisen, Jod und Fluor und Vitaminen der Gruppen A, B1 , B2 und C.

Was bei Einkauf und Lagerung zu beachten ist, verrät Hans Jürgen Meßmer vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg.

Die wichtigste Orientierungshilfe ist der Sortenname. Die Angabe ist auf allen Packungen vorgeschrieben.

Über die Verwendung informiert der Kochtyp:

Festkochend: für Kartoffelsalat, Bratkartoffeln, Gratin.

Vorwiegend festkochend: für Salzkartoffeln, Pellkartoffeln, Ofenkartoffeln.

Mehlig kochend: für Püree, Kartoffelpuffer, Suppen.

Lagerung: kühl, frostfrei und dunkel. Möglichst auf einem Lattenrost, nur bis 40 Zentimeter Höhe, nie in der Folienverpackung. Die günstigste Temperatur liegt bei 4 bis 6 Grad. Für ausreichende Belüftung sorgen und unnötige Bewegung der Knollen vermeiden, um Keimung zu vermeiden.

Bei der Keimung wird der Giftstoff Solanin freigesetzt, der Brennen im Hals, Kopfschmerzen, Benommenheit, Fieber, Seh- und Gehörstörungen und sogar Krämpfe auslösen kann. Grün gewordene Stellen daher gut ausschneiden und keimende Knollen nur für den Tagesbedarf abkeimen.