Auf dem Universitätsfriedhof ruht auch Adolf Münzinger (Grabstein links), der den Beinamen „König von Hohenheim“ trug. Foto: Martina Zick

Seit 160 Jahren gehört der Friedhof zur Uni Hohenheim. Die Stätte der letzten Ruhe ist weltweit vermutlich der einzige Universitätsfriedhof. Das Privileg, auf dem akademischen Friedhof begraben zu sein, ist nur Uni-Mitarbeitern und deren Angehörigen vorbehalten.

Hohenheim - Der Ort der letzten Ruhe ist von Buchenhecken umsäumt, innen reihen sich quaderförmige Grabsteine mit Insignien und Kreuze nebeneinander. Auf den ersten Blick ist dies ein gewöhnliches Gräberfeld. Doch der Schein trügt, es ist einzigartig, sagt Adolf Martin Steiner, emeritierter Professor für Saatgutforschung der Uni Hohenheim. Diese Stätte der letzten Ruhe ist weltweit vermutlich der einzige Universitätsfriedhof.

Seit 160 Jahren gehört der Friedhof zu der Hochschule. Besucher erreichen ihn über einen Fußweg von der Otto-Sander-Straße aus. Er wurde vom Königlichen Ministerium für Kirchen- und Schulwesen 1853 unter der Auflage genehmigt, dass die Hochschule – damals noch Landwirtschaftliche Akademie – die Kosten für Verwaltung und Pflege übernimmt.

Ein Privileg nur für Mitarbeiter

Ein Privileg nur für Mitarbeiter

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zwar gilt die Friedhofsordnung der Stadt Stuttgart, doch der Friedhof ist nach wie vor kein kommunaler, sondern ein staatlicher. In seiner Anfangszeit war der Friedhof etwa 400 Quadratmeter groß, dies erwies sich aber bald als zu klein, weshalb die Fläche anno 1887 verdoppelt worden ist. Nach 1945 ist zudem ein kleiner Heldenfriedhof hinzugekommen – und in jüngerer Zeit ein Ehrenhain. Auf dem Friedhof selbst ist Platz für etwa 100 Gräber, 60 bis 70 davon seien derzeit belegt, erzählt Adolf Martin Steiner. Sogar ein Urnenfeld mit 15 Liegesteinen gibt es inzwischen.

Wer auf diesem Gottesacker seine letzte Ruhe finden möchte, muss sich an den Rektor wenden. Das Privileg, auf dem akademischen Friedhof begraben zu sein, ist jedenfalls nur Uni-Mitarbeitern und deren Angehörigen vorbehalten.

Friedhofsgarten ist „ein Juwel“

Adolf Martin Steiner ist einer von ihnen. „Hier werde ich mal sein“, sagt der 76-Jährige und deutet auf eine der Grabplatten. Der Gedanke macht ihm nichts aus, er sieht es eher praktisch: Seine Kinder leben nicht in der näheren Umgebung, und die Friedhofskultur sei ohnehin völlig im Umbruch, wie er sagt. Außerdem ist dieser Friedhof für ihn kein bedrückender Ort, sondern ein Garten und aufgrund seiner Einzigartigkeit geradezu „ein Juwel“.

Ein Juwel, dessen Glanz allerdings um die Jahrtausendwende nicht mehr zu erkennen gewesen sei, berichtet Steiner. Vielmehr habe die historische Kostbarkeit damals ein trauriges Bild geboten, alles sei zugewuchert gewesen. Dank großzügiger Spender konnte die Uni das Schmuckstück im Jahr 2005 wieder polieren. Und wenn der emeritierte Saatgutforscher heute die wenigen Meter vom Eingang bis zum Heldenfriedhof geht, ist es für ihn wie ein Treffen mit alten Bekannten und Kollegen.

Vier besondere Gräber

Vier besondere Gräber

Darunter sind nicht nur Professoren, sondern beispielsweise auch der 2005 gestorbene Schloss-Hausmeister Willi Bandel. Über fast alle an diesem Ort Bestatteten weiß Steiner etwas zu erzählen. Besonders am Herzen liegen ihm vier Gräber, die er als historische Mitte des Friedhofs bezeichnet und die die Universität langfristig erhalten will. Dort ruhen die Uni-Direktoren Ernst Valentin Strebel, der die Hochschule von 1897 bis 1912 leitete, und sein Nachfolger Oskar von Kirchner, der bis 1917 im Amt war. Letzterer war Botaniker und habe Hohenheim nicht nur während des Direktorats, sondern „über mehr als drei Jahrzehnte durch seine Persönlichkeit und seinen akademischen Stil maßgeblich geprägt“, sagt Steiner. Nach Kirchner ist auch eine Straße auf dem Campus benannt.

Der dritte besondere Grabstein markiert die letzte Ruhestätte des ersten gewählten Rektors, Adolf Münzinger, der zweimal auf dem Chefsessel an der Uni saß, nämlich 1926 sowie von 1945 bis 1947. Sein Grabmal aus rötlichem Sandstein ist allein aufgrund seiner Größe markant und wirkt wie ein Denkmal. Was gut zu dem Professor der Wirtschaftslehre des Landbaus – heute BWL – passt. Trug er doch den Beinamen „König von Hohenheim“.

Ein Ehrenhain für Verdienstvolle

Ein Ehrenhain für Verdienstvolle

Karl Adolf Windisch, der Vierte im Bunde, hat die Uni nie geleitet: Er lehrte von 1904 bis 1927 Landwirtschaftliche Technologie und Organische Chemie. Zu seinem Grab gehört eine Bronzefigur, weshalb es laut Steiner als erhaltenswert gilt.

Von der historischen Mitte geht es weiter zum Ehrenhain, wo an verdienstvolle Wissenschaftler erinnert wird; ihre Gräber überdauern die Zeit nicht, ihre Grabsteine schon. Dort findet sich das älteste Grabmal der Anlage: das des Naturwissenschaftlers Franz von Fleischer. Von 1840 bis 1878 hatte der gelernte Apotheker einen Lehrstuhl und brachte den Studenten gleich vier Fächer näher: Zoologie, Mineralogie, Botanik und Chemie. Ein weiterer Stein erinnert an einen Professor der Tierernährung mit dem schönen Namen Werner Wöhlbier. Dieses Hohenheimer Urgestein habe während seiner Lehrtätigkeit mehr als 50 Doktoranden betreut, erzählt Steiner und klingt bewundernd.

Bereits auf dem Weg zum Ausgang des universitären Friedhofs gibt es eine kleine Überraschung: Der frühere Garbenwirt Wilhelm Stoll (1869 bis 1939) ist ebenfalls auf dem Hohenheimer Gottsacker beerdigt. Warum ihm dieses Privileg zuteil wurde, vermag aber nicht einmal Adolf Martin Steiner zu sagen.