Der Graf ist Sänger und Songwriter von Unheilig Foto: Erik Weiss/Promo

Das neue Unheilig-Album „Lichter der Stadt“ ist da. Der Graf spricht über sein bisher persönlichstes Album.  

Stuttgart - Der Erfolg, den ihm die Unheilig-Platte „Große Freiheit“ 2010 bescherte, hat ihn überrascht und überwältigt. Auf „Lichter der Stadt“ verarbeitet der Mann, der sich Der Graf nennt, jetzt die Erlebnisse der letzten Jahre. Ein Gespräch.


Herr Graf, am 16. März erscheint Ihre neue CD „Lichter der Stadt“. Sind Sie aufgeregt?

Ja, ich bin schon ganz hibbelig, wie man bei uns in Aachen sagt. Geduld ist nicht gerade meine Stärke. Man fängt dann an, sich in den Wochen vor der Veröffentlichung so seine Gedanken zu machen: Haben die Leute Unheilig schon wieder vergessen? Wird ihnen die neue Platte gefallen?

Sie haben mir einmal erzählt, dass Sie eigentlich schon 2008 glaubten, all das erreicht zu haben, was Sie als Musiker erreichen können. Auf das, was nach „Große Freiheit“ kam, waren Sie nicht vorbereitet. Haben Sie sich inzwischen ans Leben eines Superstars gewöhnt?
Ich hasse das Wort Superstar. Zu Hause kann ich auch ein ganz normales Leben führen, mit dem Hund spazieren gehen, einkaufen, die Leute erkennen mich nur selten. In meinem Privatleben geht es sehr ruhig zu. Wenn ich aber als Musiker unterwegs bin, komme ich mir vor wie ein staunender kleiner Junge, der sich in einen riesigen Freizeitpark verirrt hat, wie ein Kind vom Land, das mitten in der Stadt allein gelassen wird: Alles ist groß, alles ist neu, alles bewegt sich. Und du stehst da – und weißt gar nicht, was da um dich herum alles passiert.

Von diesem Gefühl der Überwältigung erzählt nun das neue Album „Lichter der Stadt“.
Ja, ich musste mir viel von der Seele schreiben. Die Platte ist eine Art musikalisches Tagebuch der letzten zwei Jahre. Wir haben unterwegs überall Musik gemacht. Den Song „Unsterblich“ zum Beispiel habe ich im Auto geschrieben. Ich habe den Gesangspart zunächst in mein iPhone gesungen. „Lichter der Stadt“ ist meine bisher persönlichste Platte, eine Art musikalische Therapie.

Wie zeigt sich das?
Mit „Ein guter Weg“ verarbeite ich die Eindrücke, die ich gesammelt habe, als ich in einem Hospiz für einen Sterbenden gesungen habe. Der Song „Lichter der Stadt“ erzählt davon, wie es sich anfühlt, wenn du im Dickicht der Stadt die Orientierung verlierst. In „So wie du warst“ geht es um das Heimweh, das dich immer wieder packt, „Eisenmann“ handelt davon, dass du, wenn du viel Erfolg hast, auch viel Kritik einstecken musst. Ich hätte mir schon manchmal eine eiserne Rüstung gewünscht, an der alles abprallt.

Alle Ihre Alben folgen einem Konzept. „Große Freiheit“ hatte diese Seefahrerromantik. Diesmal geht es um die Stadt. Wenn Sie in „Herzwerk“ singen „Alles dreht sich, alles bewegt sich, Mensch, Maschine, Zahn und Rad“, fühlt man sich an Bilder aus Chaplins „Moderne Zeiten“ oder an Fritz Langs „Metropolis“ erinnert. Hatten Sie solche Filmklassiker beim Schreiben der Lieder des Albums im Kopf?
Ja, ganz genau. All diese und außerdem noch Ridley Scotts „Blade Runner“. Solche Filme zeigen dreckige, riesige, anonyme Metropolen, in denen man als Einzelner schnell in den Mechanismen der Stadt verloren gehen kann. Auf diesen oft bedrohlichen, Furcht einflößenden Bildern, die man mit dem Thema Stadt assoziiert, wollte ich aufbauen. Die Musik spiegelt mein Seelenleben wieder.