Wie oft mähen? Wie düngen? Ein Experte gibt Tipps. Foto:  

Wer einen schönen Rasen will, der muss etwas dafür tun. Beim Rasen-Seminar in Stuttgart-Degerloch ging es ums Grundsätzliche.

Das Gras der Grünfläche am Agnes-Kneher-Platz in Stuttgart-Degerloch steht saftig in der Abendsonne. Zwischen den Halmen leuchtet Löwenzahn. Wahrscheinlich fragen sich weder die umhertollenden Hunde noch die Spaziergänger, welche Rasenmischung hier angesät wurde, wie oft das Areal bewässert oder gemäht wird. Bei einem Rasenseminar in der nahen Alten Scheuer geht es genau darum: um Schnitthöhen und Wuchsformen, Düngung und Pflege der beliebten Vegetationsdecke. Wolfgang Henle von der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim referiert über alles von der Wildblumenwiese bis zum Golfplatzbewuchs.

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„Wir wollen mit einer Reihe von Veranstaltungen auch jene ansprechen, die überschaubare Gärten haben und sich für entsprechende Themen interessieren“, erklärt Wilfried Raff, der Vorsitzende des Wein- Obst- und Gartenbauvereins Degerloch, der die Schulung für Grasinteressierte veranstaltet. Er und Henle kennen sich aus der gemeinsamen Zeit in Hohenheim. Immer wieder meldet sich Raff im Laufe des Abends zu Wort, ergänzt die Namen von Rollrasen-Anbietern oder bestätigt die Aussage, dass es für den Privatgebrauch keine geeigneten Gerätschaften für das sogenannte Aerifizieren, die Auflockerung der Bodenverdichtung mittels Hohlstacheln, gibt.

Aufpassen bei der Samenmischung

Als diese Technik, die den Luft- und Wasserhaushalt im Erdreich optimieren soll, zur Sprache kommt, sind fast zwei Stunden vergangen. Wer sich im Vorfeld gefragt hatte, was es über das vermeintlich prosaische Grün denn groß zu sagen gebe, hat mindestens eines gelernt: Rasen ist eine Wissenschaft für sich.

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Das gilt nicht nur für Sonderfälle wie das Grün in Fußballstadien mit seiner vorgeschriebenen Normlänge von 2,1 Zentimetern, dessen Wachstum in verschatteten Stadion-Bereichen durch künstliche Beleuchtung gefördert wird. Schon der Kauf der geeigneten Samenmischung entscheidet über Wohl und Wehe jeder Rasenmatte. Preiswerte No-Name-Produkte enthielten oft unausgewogene Zusammenstellungen, so Henle. Eine Sorte unterdrücke dann die andere. Regelmäßiger Wuchs: Fehlanzeige. Andererseits könne man auch beim Discounter Glück haben. Entscheidend sei die Zertifizierung als Regel-Saatgut-Mischung (RSM). Der Agraringenieur hat Anschauungsmaterial dabei: Säckchen mit Saatgut, Gläschen mit Düngemittelproben, beispielsweise Rindergülle-Palets, die bereits im trockenen Zustand erahnen lassen, wie geruchsintensiv sie bei Ausbringung im Garten und Feuchtigkeit werden können.

Düngemittelproben wie Rindergülle

Vor allem aber hat der 52-Jährige einen immensen Erfahrungsschatz dabei. Über die Dachbegrünung auf dem Parkhaus der Neuen Messe berichtet er aus erster Hand. Die Rasenheizung im Bremer Weserstadion kennt er aus eigener Anschauung. Um die Spielfeldpflege beim VfB kümmerte er sich bis 2007 persönlich, und das Begleitgrün am Hang der A8 ist für ihn bekanntes Terrain. Henle gibt gleichermaßen kompetent Auskunft über Dünger für Hundehalter (mineralischen Dünger mit Bittersalzen verschmähen die Vierbeiner) und die Unsinnigkeit der Kalkbehandlung von Schafsweiden zwecks Entwurmung der Tiere.

Warum der Filderboden eine Herausforderung ist

Wolfgang Henle beschränkt sich nicht aufs Dozieren. Die rund 30 Besucher haben ausgiebig Gelegenheit, nachzufragen und sich ihre persönlichen Praxistipps zu holen. Welche Vorteile hat ein Spindelrasenmäher? Welches Verhältnis zwischen Stickstoff, Phosphor und Kalium ist bei Dünger ideal, und wie kommt man dem Filder-Lösslehm am besten bei? Der wird zwar als einer der zehn besten Ackerböden Deutschlands gepriesen, ist für Rasen-Anleger aber eine echte Herausforderung. In solchen Momenten geht das Seminar in die Tiefe. Basiswissen ergänzt das Spezialistentum. Stichwort: Insektenparadies. Von fröhlichen Bienen gezierte Tütchen versprechen dem Hobbygärtner die Gelegenheit, für kleines Geld Gutes zu tun. Henle verweist auf den Haken an der Sache: Oft seien keine heimischen Pflanzenarten in den Sämereien enthalten. Auf diese aber sind viele Insekten angewiesen. Das vermeintlich zur Erhaltung der Biodiversität beitragende Paradies sei dann vor allem für die arbeitsamen Honigbienen attraktiv, so Henle.

Draußen sind keine Pollensammler mehr unterwegs. Die Sonne ist untergegangen. Das Gras liegt im Halbdunkel. Bei Tageslicht wird nach dem Rasenseminar mancher die Grünanlagen der Stadt mit etwas anderen Augen betrachten. Ende 2019 belief sich ihre Gesamtfläche auf 3801 Hektar.