Ungarns Außenminister Peter Szijjarto Foto: Oliver Willikonsky - Lichtgut

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto lobt die Regierungen in Rom und Wien für ihren harten Kurs gegen Flüchtlinge – und mahnt alle EU-Länder, ihre „Hausaufgaben“ zu machen.

Stuttgart - Ungarn hat seine Grenzen für Flüchtlinge weitgehend dicht gemacht, sie nimmt praktisch keine Asylbewerber auf. Ein Gespräch mit Ungarns Außenminister Peter Szijjarto über Europa und seine Flüchtlingspolitik.

Herr Szijjarto, viele EU-Staaten blicken im Moment mit Verwunderung auf Deutschland. Der Asylstreit zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer droht die Regierung zu zerreißen. Wie erleben Sie in Ungarn diese Krise?
Ich werde mich hüten, diese Auseinandersetzung zu kommentieren. Das verbieten mir die Neutralität und der Respekt gegenüber Deutschland. Auf der anderen Seite lassen ausgerechnet deutsche Politiker häufig Neutralität und Respekt vermissen, wenn es darum geht die Vorgänge in Ungarn zu kommentieren. Da erwarte ich deutlich mehr Zurückhaltung.
Die Auseinandersetzung kann Sie doch nicht kalt lassen.
Natürlich nicht. Unsere beiden Länder sind sehr eng miteinander verbunden. Jede schlechte Neuigkeit aus Deutschland ist definitiv auch eine schlechte Nachricht für uns. Wir wünschen uns ein stabiles Deutschland, das unser wichtigster Handelspartner ist. Aber was können wir tun? Wir werden die Daumen drücken, dass es zu einer Einigung kommt.
Können Sie die beiden Positionen nachvollziehen: der europäische Weg Merkels und der Weg Seehofers, die Grenzen zu schließen?
Unsere Position hat sich seit 2015 nicht verändert und wir sind damit einer der wenigen Staaten in Europa, die immer eine eindeutige Linie verfolgt haben. Wir haben von Anfang an sehr ehrlich und klar über die Situation geredet, mit der wir 2015 konfrontiert waren. Dafür mussten wir sehr viel Prügel einstecken, wurden von den Medien angegriffen, von Politikern anderer EU-Staaten, von Brüssel – aber wir haben unsere Position nicht verändert.
Die aktuelle Entwicklung scheint Ihnen Recht zu geben. Immer mehr Politiker anderer Länder nähern sich der ungarischen Haltung in der Flüchtlingsfrage an. Erfüllt Sie das mit Zufriedenheit?
Natürlich bin ich zufrieden. Ich bin aber nicht zufrieden, weil wir Recht haben, sondern weil ich glaube, dass wir den besten Weg zur Lösung des Problems vertreten. Ungarn hat immer betont, dass der Schutz der EU-Außengrenze der wichtigste Punkt ist. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir diese Herausforderung verlieren. Aus diesem Grund sind wir zufrieden, dass der neue österreichische Kanzler Sebastian Kurz und der neue italienische Innenminister Matteo Salvini den Grenzschutz ganz oben auf ihre Agenda gesetzt haben. Endlich folgen den vielen Worten die Taten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Merkel haben sich für Asylzentren in Nordafrika ausgesprochen, wo die Anträge der Ankommenden bearbeitet werden sollen. Außerdem sollen die Länder mit einem Flüchtlingsproblem mehr und gezieltere Unterstützung bekommen.
Wir haben immer gesagt, dass die Hilfe dorthin gebracht werden muss, wo sie gebraucht wird. Das heißt, wir sollten die Länder unterstützen, die um die Krisengebiete liegen. Wir sollten nicht nur die Türkei unterstützen, sondern auch den Irak, Jordanien, Libanon. Wir sollten Transitländer unterstützen, die Unterstützung aber an klare Bedingungen knüpfen. Das heißt: wenn wir Geld geben, haben wir auch die sehr genaue Erwartung, dass die Fluchtursachen bekämpft werden.
Im Moment ist es aber so, dass durch den Bau von Zäunen in Europa die Probleme vor allem nach Italien, Spanien oder Griechenland verlagert werden.
Meine Position ist, dass jeder Staat seine Hausaufgaben machen muss. Diese Länder sind Teil des Schengen-Raums. Das heißt: diese Länder haben Verpflichtungen übernommen, die genau festgelegt sind. Da steht auch, dass die Außengrenzen kontrolliert werden müssen, Leute nur über die offiziellen Übergänge in die EU kommen dürfen und dass alles dokumentiert wird.
Die Realität sieht aber anders aus.
Das stimmt und am Ende entscheiden auf dem Mittelmeer irgendwelche Nichtregierungsorganisationen, wer nach Europa kommt, indem sie die Migranten in italienische Häfen oder nach Malta bringen. Das ist nicht zu akzeptieren.
Aber diese NGOs, die mit ihren Schiffen etwa vor der Küste Libyens kreuzen, retten Menschen vor dem Ertrinken
Den Migranten sollte nicht dabei geholfen werden, um sie zu zum Aufbruch zu ermuntern, sondern damit sie in ihrer Heimat oder in der unmittelbaren Umgebung erfolgreich leben und gedeihen können. Nach ungarischer Ansicht sollte man nicht das Problem importieren, sondern man sollte die Unterstützung dorthin bringen, wo sie am nötigsten ist. Die Schiffe der NGOs organisieren die Migration, sie sollte aber nicht organisiert, sondern gestoppt werden.
Was sollten die Seenotretter tun?
Meine Frage ist, warum geht das Schiff mit Migranten nicht zurück nach Libyen? Wir müssen eine Situation erreichen, dass diese Menschen nicht ihr Leben riskieren, kein Geld an Schmuggler bezahlen, um nach Europa zu kommen. Deshalb bezahlen die Visegrad-Staaten 35 Millionen Euro an Italien, um den Schutz der Seegrenze zu Libyen zu organisieren. Dieses System hat viele schlechte Seiten, ist aber wesentlich besser, als über ein obskures Quotensystem die Migranten über Europa zu verteilen. Auch das kann von den Migranten nur als Einladung verstanden werden, die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa zu versuchen.
Sie verstehen also, dass Malta und Italien das Rettungsschiff „Aquarius“ nicht in ihre Häfen ließen?
Natürlich. Ich habe den italienischen Innenminister Salvini angerufen und ihn in seiner Haltung unterstützt. Ich glaube, dass diese Entscheidung eine sehr wichtige Handlung war, die das ganze Spiel in Zukunft wesentlich verändern wird. Es zeigt, dass es nicht irgendeine NGO ist, die festlegt, wer nach Europa kommt.
Die Flüchtlingskrise von 2015 war nur eine Vorahnung dessen, was Europa durch die Wanderungsbewegungen in Afrika noch bevorstehen könnte. Was kann Europa tun?
Es gibt konservative Schätzungen, die besagen, dass 30 bis 35 Millionen Menschen in Afrika in so schlechten Bedingungen leben, dass sie entscheiden könnten, sich sofort auf den Weg nach Europa zu machen. Eine Situation wie 2015 wollen wir nicht mehr durchleben. Das heißt, wir müssen ehrlich sein, die Probleme klar benennen und gezielt handeln. Wenn wir weiter die verlogene, aber politisch korrekte Haltung gegenüber dem Migrantenproblem an den Tag legen, dann ist die nächste große Krise nur eine Frage der Zeit. Davon bin ich überzeugt.