Auf dem Weg zur Schule geraten immer mehr Mädchen und Jungen in einen Unfall. Foto: dpa

Die Unfallzahlen in der Region Stuttgart und im Land sind gestiegen. Der ADAC fordert eine landesweite Pflicht zu Schulwegplänen.

Stuttgart - Fast 20 Prozent mehr Schulwegunfälle in der Region Stuttgart, zehn Prozent mehr im ganzen Land – keine guten Vorzeichen für das neue Schuljahr, das nächste Woche beginnt. Dabei gilt Stuttgart noch als vorbildlich.

Ein 15-jähriger Schüler rennt in Luginsland über die Straße, um den Bus noch zu kriegen – und wird von einem Auto schwer verletzt. Zwei zehn und 13 Jahre alte Jungs werden in Mühlhausen auf einer Fußgängerfurt von einer Autofahrerin angefahren und verletzt. Ein 15-jähriger Schüler wird von einem 78-jährigen Autofahrer in Raitelsberg auf einem Zebrastreifen übersehen. Acht Schulwegunfälle hat es im ersten Halbjahr in Stuttgart gegeben – „und damit scheint sich der Trend fortzusetzen“, sagt Verkehrspolizeichef Roland Haider. Der Trend zum Schlechteren.

„Mit aktuell zwölf Unfällen in diesem Jahr scheint es gerade so weiterzugehen“

Dabei ist die Steigerung von 13 auf 16 Schulwegunfälle 2011 noch keine Größenordnung, die Besorgnis auslösen muss. Deutlicher wird der Trend aber beim Blick auf die Region: 174 Schulwegunfälle im vergangenen Jahr sind ein trauriges Plus von 18,4 Prozent. Alarmierend ist die Entwicklung im Kreis Böblingen: Die Zahl der verunglückten Schüler war letztes Jahr von sieben auf 27 gestiegen. „Mit aktuell zwölf Unfällen in diesem Jahr scheint es gerade so weiterzugehen“, sagt Böblingens Polizeisprecher Uwe Vincon.

Im Kreis Ludwigsburg stiegen die Unfallzahlen von 35 auf 39, im Kreis Esslingen von 45 auf 46. Das klingt relativ stabil. Jedoch musste die Esslinger Polizei zwölf Schwerverletzte registrieren – im Jahr davor waren es nur fünf. Im Rems-Murr-Kreis gab mit 31 Schulwegunfällen immerhin einen weniger, und im Kreis Göppingen veränderte sich die Lage mit jeweils 15 Unfällen nicht. Landesweit stieg die Zahl der Schulwegunfälle auf 640 – knapp zehn Prozent mehr.

Der ADAC Württemberg schlug beim Start seiner Aktion Sicherer Schulweg in der Gaisburgschule im Stuttgarter Osten Alarm: „Wir sind überrascht, dass es in Baden-Württemberg überhaupt keine verbindliche Regelung für Schulwegpläne gibt“, sagte Vorsitzender Dieter Roßkopf, „das ist bisher offenbar nur in Stuttgart vorbildlich geregelt.“

Roßkopf fordert vom Land „höhere und einheitliche Standards für Schulwegpläne, die partnerschaftlich von Behörden, Schulen und Eltern erarbeitet werden“. Dabei gehe es nicht nur darum, den Weg von Ampel zu Ampel aufzuzeigen: „Eine schöne Bäckerei kann für den Schulweg bedeutender sein als so mancher Plan“, sagt Roßkopf.

Jährlich werden 70 Schulwegpläne auf den neuesten Stand gebracht

Die Botschaft scheint beim Innenministerium angekommen zu sein. Im aktuellen Aktionserlass werden die Straßenverkehrsbehörden im Land angewiesen, „das Vorhandensein von Schulwegplänen für Grundschulen zu prüfen und auf die Umsetzung hinzuwirken“. Zuletzt habe es eine landesweite Umfrage unter den Schulen gegeben. „Schulwegpläne waren bereits in den 70er Jahren angewiesen worden“, sagt Karl Binder vom Referat Verkehrsunfallprävention im Innenministerium, „das wurde aber nie kontrolliert.“ Es blieb den Kommunen selbst überlassen. Freilich: Auch jetzt werden die Behörden vom Innenministerium lediglich „gebeten“, nicht „aufgefordert“.

In Stuttgart hat jede Grundschule ihren Plan, jährlich werden 70 Schulwegpläne auf den neuesten Stand gebracht. Dazu kommen Kontrollen der Polizei: „Wir investieren viel in die unerfahrensten Verkehrsteilnehmer, die Kinder“, sagt Polizeipräsident Thomas Züfle. Sein Verkehrspolizeichef sieht noch Nachholbedarf: „Wir brauchen Rad-Schulwegepläne für weiterführende Schulen“, kündigt Roland Haider an. Da ist Stuttgart bisher nicht Vorbild – sondern ein Pilotprojekt in Bietigheim-Bissingen.