Einer von 25.743 Unfällen 2019 in der Stadt: Kollision an der Löwentorkreuzung in Bad Cannstatt. Foto: 7aktuell.de/Andreas Werner

Die Nachricht lässt aufhorchen: Auf Stuttgarts Straßen sind noch nie so wenige Unfallbeteiligte verletzt worden wie im vergangenen Jahr. Dabei sind die durchschnittlich 70 Unfälle pro Tag nicht einmal ein Rekordtiefstwert.

Stuttgart - Die Lage scheint sich zu entspannen: Erstmals seit sechs Jahren hat es in Stuttgart wieder weniger als 26.000 Verkehrsunfälle gegeben. Dies geht aus der Polizeistatistik für das Jahr 2019 hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Außerdem verzeichnete die Polizei mit 25.743 Karambolagen den niedrigsten Wert seit 2013. Das ist aber nicht die einzige gute Nachricht: Die Stuttgarter Polizei registrierte im vergangenen Jahr lediglich 2401 Unfallopfer – „den geringsten jemals dokumentierten Wert der mit Straßenverkehr Verunglückten auf Stuttgarts Straßen“, so das Fazit.

Und das muss etwas heißen: Selbst 1994, als es nicht einmal 19.000 Unfälle gegeben hatte, lag die Zahl der Opfer deutlich höher. Sind die Autos sicherer geworden? Lag es an niedrigeren Geschwindigkeiten durch Feinstaub-Tempolimits? Oder ist es nur statistischer Zufall? „Das lag sicher an verschiedenen Faktoren“, sagt Polizeisprecherin Monika Ackermann, „aber so eine richtige Erklärung haben wir vorerst auch noch nicht gefunden.“

Dabei ging nicht nur die Zahl der Unfälle mit Personenschaden zurück. Auch die Radfahrer kamen diesmal weitaus weniger zu Schaden - nachdem es im Jahr davor noch einen traurigen Höchstwert gegeben hatte. 454 Radlerunfälle entsprechen allerdings wieder dem Niveau der letzten Jahre.

Die Kehrseite: Zu viele Schwerverletzte

Weniger Unfälle unter Alkohol- und Drogeneinfluss, weniger Fahrerflucht, weniger Motorradunfälle, weniger Unfälle mit Kindern und jungen Erwachsenen – das klingt nach einem Jahr, in dem die Verkehrsteilnehmer aufmerksamer unterwegs waren oder etwas mehr Glück in heiklen Situationen hatten.

Doch alles hat auch eine Kehrseite: Obwohl es weniger Verletzte gab, so mussten doch 295 Menschen mit schweren Blessuren ins Krankenhaus stationär eingeliefert werden. Dies ist eine Steigerung – entgegen dem Landestrend, bei dem die Zahl der Schwerverletzten erkennbar rückläufig gewesen ist. Außerdem ist diese hohe Zahl auch aus einem anderen Grund bedenklich: Selbst im Jahr 2016, als in Stuttgart mit 26.704 Verkehrsunfällen so viele wie noch nie registriert werden mussten, hatte es mit 300 Schwerverletzten nur unwesentlich mehr gegeben.

Tragische Unfallopfer

Kein Trost ist die entspannte Unfalllage beim Blick auf die tödlich verletzten Opfer: Im vergangenen Jahr kamen sieben Menschen ums Leben, drei mehr als im Jahr davor. Besonders tragisch war dabei der Unfalltod eines 22 und 25 Jahre alten Paars, das im März 2019 im Nordbahnhofviertel von einem Raser in einem gemieteten Jaguar-Sportwagen gerammt worden war. Der 20-jährige Verursacher wurde vom Landgericht zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren Haft verurteilt.

Keine Chance hatte auch eine 80-jährige Fußgängerin, die wenige Tage später in Neugereut auf einer Verkehrsinsel stand – und von einem Autofahrer voll erfasst wurde. Der tödliche Unfall im Seeblickweg war nicht der erste an dieser Stelle und führte dazu, dass die Stadt einen seit langem geforderten Umbau der Straßenkreuzung mit ampelgeregelter Fußgängerfurt endlich in die Tat umsetzte. Zu den weiteren Todesopfern des Jahres zählen ein 22-jähriger Fußgänger in Bad Cannstatt, ein 28-jähriger Motorradfahrer in Vaihingen, eine 74-jährige Autofahrerin in Bad Cannstatt und ein 50-jähriger Fahrer eines dreirädrigen Motorrollers im Stuttgarter Süden.

Senioren überholen die Jungen - leider

Für die Senioren im Straßenverkehr lief es 2019 zwiespältig. Die Unfallzahlen stiegen um mehr als drei Prozent Fälle an – was die Verkehrsexperten bei der Polizei zunächst nicht überbewerten wollen: „Da ergibt sich kein Handlungsbedarf“, stellt die Verkehrspolizeiinspektion fest. Der Anteil der Senioren an der Unfallverursachung liege über die Jahre betrachtet auf gleichem Niveau, heißt es. Neu ist allerdings, dass die Zahl der Seniorenunfälle in Stuttgart mit 1415 erstmals höher liegt als die der jungen Fahrer mit 1363 Unfällen.

Auch bei den Radfahrern gibt es trotz gesunkener Unfallzahlen noch einiges zu tun. „Die Bereitschaft, auf freiwilliger Basis einen Fahrradhelm zu tragen, ist nicht sehr ausgeprägt“, heißt es in der Unfallbilanz. Fatal ist dies besonders bei den E-Bikes, deren Unfallzahlen um 25 Prozent zugenommen haben. 123 Elektroradfahrer sind verunglückt – und nur jeder Zweite trug einen Helm. Bei den verunglückten Radlern waren fast 60 Prozent „oben ohne“. Die Polizei stellt dazu fest: „Das Tragen der Helme verhindert zwar keinen Unfall, es kann aber das Risiko einer Kopfverletzung erheblich mindern.“

Und noch ein paar Sorgenkinder

Weder mit Verkehrskontrollen noch Blitzern lässt sich einer Gruppe von Verkehrsteilnehmern beikommen, deren Unfallzahlen deutlich auf knapp 300 gestiegen sind. Dabei haben sie in 40 Prozent der Fälle auch noch selbst die Ursache gesetzt. „Die Bereitschaft, sich regelkonform zu verhalten, ist oftmals nicht sehr ausgeprägt“, so der Tenor der Unfallbilanz. Wer da gemeint ist? Die Fußgänger.