Zur Volksfestzeit verstärkt die Polizei ihre Kontrollen – in der gesamten Stadt Foto: dpa

Zwei dramatische und spektakuläre Unfälle von Volksfestbesuchern auf dem Heimweg sind ein Alarmsignal: In Partystimmung und Feierlaune machen sich immer noch viele mit vollem Risiko vom Cannstatter Wasen auf den Heimweg.

Stuttgart - Wenn Peter Erb nach einem feuchtfröhlichen Volksfesttag auf die Besucher schaut, die da nachts auf dem Wasen Richtung Parkplätze wanken, kann er nur mit dem Kopf schütteln. „Die können doch nicht alle fahrtauglich sein“, sagt der Mann, der seit 50 Jahren ehrenamtlich den Service der Heimweghilfe betreibt. Viele machen sich mit vollem Risiko auf den Heimweg, im Auto, zu Fuß, aber auch mit der Bahn. Viele kommen durch, aber nicht alle.

Eine 18-Jährige, die am frühen Mittwochmorgen vom Wasen nach Welzheim im Rems-Murr-Kreis fuhr und dort sieben Freunde in ihren kleinen VW Polo packte, dürfte zwar nüchtern gewesen sein. Aber offenbar überfordert, als sie offenbar im allgemeinen Spaßmodus die Kontrolle verlor und am Ende zwei Mitfahrer starben. Mehr Glück hatte in der Nacht zuvor ein 29-jähriger Wasenbesucher, der mit seinem Volvo in Baltmannsweiler im Kreis Esslingen in eine Fußgängerunterführung schleuderte. In Lederhosenkluft entstieg er unverletzt dem total beschädigten Wagen.

Heimweghilfe boomt – nur nicht bei den Jungen

„Mit uns hätte jeder seinen Führerschein sicher“, sagt Peter Erb. Bei der Heimweghilfe werden Wasengäste in ihrem eigenen Wagen nach Hause gefahren. Der Zecher muss dafür die Rückfahrt seines Chauffeurs mit dem Taxi bezahlen. Ein Erfolgsmodell: „In diesem Jahr hatten wir mehr Fahrten als in den letzten zehn Jahren“, freut sich Erb. Gab es 2006 noch 136 solcher Fahrdienste, so stiegen die Zahlen kontinuierlich an. Beim letzten Volksfest waren es schon 256 Fahrten. „Und wenn es dieses Jahr so weitergeht wie in den ersten fünf Tagen“, so Erb, „dann könnten wir am Ende bei 300 Fahrten rauskommen.“ Die Vernunft siegt? „Leider“, sagt Heimweghelfer Erb, „leider kommen die Jungen ganz selten.“

Dabei ist gemeinhin bekannt, dass die Stuttgarter Polizei zur Volksfestzeit die Kontrollen verstärkt. „Beamte von Verkehrspolizei und den Revieren sind dabei im ganzen Stadtgebiet unterwegs“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Freilich: die Kontrollen finden meist nicht in unmittelbarer Nähe des Volksfestes statt: „Man kann um 23 Uhr keine Kontrollen auf der Mercedesstraße starten“, sagt Tomaszewski, „das gäbe sofort einen Menschenauflauf mit grölendem Publikum.“ Früher, erinnert sich Heimweghelfer Erb an die letzten Jahrzehnte, habe die Wasenpolizei so manchen Betrunkenen noch auf den Parkplätzen abgefangen und zur Heimweghilfe geschickt.

Polizei schlägt weit außerhalb mit Kontrollen zu

Heute aber nimmt die Polizei die verdächtigen Autofahrer lieber außerhalb in anderen Stadtbezirken unter die Lupe. Mit dem Nachteil, dass sich die Sünden nicht mehr dem Volksfest zuordnen lassen, weil das nicht registriert wird. In der Heinestraße in Degerloch ging in der Nacht zum Mittwoch ein Autofahrer mit 1,2 Promille ins Netz. In der Planckstraße im Osten hatten 0,6 Promille für einen anderen Fahrer schmerzliche Folgen für den Führerschein.

Das Auto lieber stehen lassen und den Nahverkehr benutzen: Das klingt vernünftig – doch immer wieder bringen sich Wasenheimkehrer auch auf diesem Weg leichtsinnig in Gefahr. Vor allem am Bahnhof Bad Cannstatt spielen sich haarsträubende Szenen ab. „Da klettert man über die Gleise auf den anderen Bahnsteig und bringt sich in höchste Gefahr“, sagt Bundespolizei-Sprecher Jonas Große. Andere schlafen auf den Sitzbänken ein – auch das ist eine Gefahr: Dann schlägt die Stunde der Taschendiebe.