Die Sibhudu-Höhle ist ein seit den 1960er-Jahren bekannter archäologischer Fundort in einer Sandsteinformation, rund 15 Meter oberhalb des Flusses Tongati in der Provinz KwaZulu-Natal in Südafrika, rund 40 Kilometer nördlich von Durban. Foto: Universität Tübingen/PLOS One

Die südafrikanische Sibhudu-Höhle zählt neu zum Unesco-Weltkulturerbe. Für den Grabungsleiter Nicholas Conard von der Universität Tübingen geben die Funde wichtige Auskünfte darüber, wie der Mensch zum Menschen wurde.

Die Unesco hat die bedeutende archäologische Fundstelle Sibhudu an der Ostküste Südafrikas zum Weltkulturerbe ernannt. Laut Begründung ist die Stätte ein Schlüsselort für die Erforschung der kulturellen Evolution des Menschen. Seit 14 Jahren leitet die Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment die Ausgrabungen.

Ursprünge der Menschwerdung

„Die Entscheidung lenkt den Blick der Öffentlichkeit auf die Ursprünge der menschlichen Kultur und der Menschwerdung. Es gibt noch viel zu wenige Welterbestätte aus dieser Zeit“, sagt der Grabungsleiter Nicholas Conard, Professor an der Universität Tübingen und Unesco-Beauftragter der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Ich freue mich, dass die Unesco vermehrt steinzeitliche Orte und Orte der menschlichen Evolution berücksichtigt.“

Grabungsleiter Nicholas Conard mit Nothando Shabalala, Mitarbeiterin des Kwa-Zulu Natal Museum in Pietermaritzburg in der Sibhudu-Höhle.  Foto: Universität Tübingen
Die Funde lieferten „bis zu 162 000 Jahre alte Belege für die Entwicklung modernen menschlichen Verhaltens“, betont die Unesco. Foto: Universität Tübingen

Das Welterbekomitee hatte am 26. Juli drei steinzeitliche Fundstellen in Südafrika neu auf die Welterbeliste genommen: neben der Sibhudu-Höhle auch die Fundstellen Diepkloof Rock Shelter und Pinnacle Point. Sie lieferten „bis zu 162 000 Jahre alte Belege für die Entwicklung modernen menschlichen Verhaltens“, betont die Unesco.

Hier lasse sich erkennen, wie der frühe Mensch „zunehmend fortschrittliche Technologien zum Einsatz brachte, etwa die Hitzebehandlung von Stein zur Werkzeugherstellung“. Die Unesco-Welterbeliste beinhaltet aktuell 1223 Einträge in 168 Ländern.

Archiv für die frühe kulturelle Entwicklung

Die Sibhudu-Höhle ist ein seit den 1960er-Jahren bekannter Fundort in einer Sandsteinformation, rund 15 Meter oberhalb des Flusses Tongati in der Provinz KwaZulu-Natal in Südafrika, rund 40 Kilometer nördlich von Durban. Sie gilt als bedeutende archäologische Fundstätte.

Sibhudu ist wie ein Archiv für die frühe kulturelle Entwicklung unserer Vorfahren, bevor Homo sapiens Eurasien erfolgreich besiedelte und den Neandertaler und andere archaische Menschenformen verdrängte. Der Felsüberhang überdacht archäologische Schichten aus einem Zeitraum von etwa 100 000 bis 35 000 Jahren vor heute und diente Menschen in dieser Zeit als Wohnstelle.

Die Archäologen fanden in Sibhudu den ältesten Nachweis für die Konstruktion von Pflanzenmatten als Schlaf- und Arbeitsplätze, Belege für die Nutzung von Knochenwerkzeugen und Beweise für frühes symbolisches Verhalten in Form von Muschelperlen. Zudem wurde an der Fundstelle eine der ältesten Pfeilspitzen aus Knochen gefunden und damit einer der frühesten Nachweise für die Erfindung dieser Technologie.

Das Erdreich wird in ein bis drei Zentimeter dicke Schichten abgetragen und genau vermessen. Foto: Universität Tübingen
Fundstücke aus der Sibhudu-Cave. Foto: F. Brodbeck and G. Porraz/PLOS One

All diese Befunde erlauben ungewöhnlich tiefe Einblicke in das Leben unserer Vorfahren: Sie waren zu abstrakten und komplexen Gedankengängen fähig, stellten vielfältige Werkzeuge aus Stein und Knochen her, beherrschten die Feuernutzung, jagten Tiere und wussten auch pflanzliche Ressourcen für sich zu nutzen.

Felsüberhang auf einer Sandsteinklippe

Sibhudu liegt an der Ostküste Südafrikas in der Provinz KwaZulu-Natal, rund 40 Kilometer nördlich von Durban und 15 Kilometer landeinwärts vom Indischen Ozean entfernt. Der Felsüberhang befindet sich auf einer Sandsteinklippe oberhalb des Uthongathi-Flusses und umspannt eine Fläche von etwa 55 auf 12 Metern.

Blick auf die Umgebung der Höhle. Foto: Universität Tübingen
Der Felsüberhang befindet sich auf einer Sandsteinklippe oberhalb des Uthongathi-Flusses und umspannt eine Fläche von etwa 55 auf 12 Metern. Foto: Darka Roland Stark/CC BY-SA 3.0

Die systematische Erforschung der Fundstelle begann im Jahr 1998 mit Ausgrabungen unter der Leitung von Lyn Wadley von der University of Witwatersrand in Johannesburg. 2011 übergab die südafrikanische Forscherin die Fundstelle an Nicholas Conard. Seitdem finden dort jährliche Grabungen seitens der Universität statt.

Conard hatte erst kürzlich eine bei Ausgrabungen in Baden-Württemberg entdeckte und fast 40 000 Jahre alte Figur aus Mammutelfenbein der Öffentlichkeit präsentiert. Er interpretierte die kleine eiszeitliche Kunstfigur aus einer Höhle am Rande der Schwäbischen Alb als Otter. Diese Figur sei entstanden „in einer Zeit, als die ersten anatomisch modernen Menschen in Europa ankamen“.

Info: Evolution des Menschen

Vom Affen zum Menschen
Vor rund sieben Millionen Jahren verzweigte sich der Stammbaum von Mensch und Affen. Damals gab es noch keinen Ur-Menschen, aber schon Lebewesen, die den heutigen Menschen und Affen ähnlich waren. Ein paar Vertreter dieser Art entwickelten sich und wurden nach und nach zum Menschen.

Wiege der Menschheit
Alle frühen Funde von Urmenschen stammen aus Ostafrika. Deshalb glauben Paläoanthropologen, dass die Gattung Homo in Afrika – der Wiege der Menschheit – ihren Ursprung hatte und sich von dort über den gesamten Globus ausbreitete. Diese Hypothese wird auch als „Out-of-Africa-Theorie“ bezeichnet.

Ururgroßmutter des heutigen Menschen
Einer der frühesten Vorfahren des Menschen trägt den Namen Lucy. Mit dem Namen wird das 1974 im äthiopischen Afar-Dreieck entdeckte Teilskelett eines weiblichen Individuums der Art „Australopithecus afarensis“ bezeichnet. Lucy war vermutlich etwas größer als ein Meter. Das Fossil wurde benannt nach dem Beatles-Song „Lucy in the Sky with Diamonds“ und auf ein Alter von 3,2 Millionen Jahren datiert.

Neandertaler
Auf der Erde lebt heute nur noch eine Art Mensch, zu der wir alle gehören: der „Homo sapiens“ (lateinisch: der weise Mensch). Aber viele Tausend Jahre lang lebte in Europa und im vorderen Teil von Asien eine ganz anderes Exemplar: der Neandertaler. 1856 wurden in einem Tal bei Düsseldorf Knochenreste von ihm gefunden. Sie verraten sehr viel über ihn und seine Lebensweise: Der Neandertaler war sehr kräftig und hatte stärkere Knochen als wir. Er war etwas kleiner, kompakter gebaut und bastelte sich schon Waffen für die Jagd. Vielleicht konnte er sogar sprechen.

Homo sapiens
Später kam dann auch der „Homo sapiens“ nach Europa und Vorderasien. Einige Tausend Jahre lebten beide Menschentypen in den gleichen Gegenden. Vermutlich begegneten sie sich. Aber was passierte dann? Haben sie miteinander gesprochen, einander bekämpft oder sich vielleicht sogar gepaart? Heute glauben Forscher: Es gab damals tatsächlich gemeinsame Kinder von Neandertalern und modernen Menschen. Sie vermuten sogar, dass die allermeisten Menschen Erbgut von Neandertalern in sich tragen. Die Neandertaler starben vor etwa 30 000 Jahren aus.