Wenn der Finder zum Erpresser wird – dann greift die Kripo ein Foto: dpa

Das Handy ist weg! Wie erleichtert sind die Betroffenen in solchen Situationen, wenn das gute Stück von ehrlichen Findern entdeckt und sichergestellt wird. Was aber, wenn der Finder einen üppigen Finderlohn haben will? Ist das sein gutes Recht – oder Erpressung?

Stuttgart - Er hatte ein Handy gefunden und wollte daraus Kapital schlagen – doch dann griff die Polizei zu. Wegen versuchter Erpressung ist am Mittwoch ein 29-Jähriger am Bahnhof in Vaihingen dingfest gemacht worden. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, hatte er von einer 23-Jährigen Geld verlangt, ansonsten werde sie ihr Mobiltelefon nicht zurückbekommen.

Die 23-Jährige hatte ihr Smartphone des Typs Huawei Honor Ende August in einer Gaststätte an der Eberhardstraße in der Stuttgarter Innenstadt verloren. Vier Tage später meldete sich ein Finder bei der Betroffenen und verlangte für die Rückgabe 100 Euro – gut ein Drittel des Wertes. Der Mann aus Möhringen und die Frau aus dem Westen vereinbarten ein Treffen am Vaihinger Bahnhof. Als der unehrliche Finder erschien, griffen Polizeibeamte zu.

Der 29-Jährige wurde nach der erkennungsdienstlichen Behandlung und Anzeigenaufnahme wieder auf freien Fuß gesetzt. „Der Beschuldigte war bisher polizeilich nicht bekannt“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Nun ermittelt das für Raub und Erpressung zuständige Kripo-Dezernat gegen den 29-Jährigen, dem wohl eine Geldstrafe droht.

Staatsanwalt: Selbstjustiz des Finders ist strafbar

Für den Staatsanwalt ist die Grenze schnell überschritten – je höher die Forderung ausfällt. „Grundsätzlich geht es darum, ob der Finder einen Anspruch auf die geforderte Summe hat“, sagt Staatsanwalt Jan Holzner. Zwar könne ein Finder mit einem Finderlohn rechnen, „aber man kann dann grundsätzlich keine Selbstjustiz üben und das gefundene Stück zurückbehalten“, so der Staatsanwalt. Denn der Besitzer habe einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Finder.

Unehrliche Finder sollten bedenken: Auch wenn sie nur die Finderlohn-Summe zur Bedingung der Herausgabe machen würden – „das wäre eine einfache Nötigung“, sagt der Staatsanwalt. Strafrahmen: Geldstrafe und bis zu drei Jahre Haft. Wer noch höhere Summen, etwa den vollen Gegenwert des Handys fordert, macht sich laut Holzner der Erpressung schuldig. Der Strafrahmen bei Erpressung reicht bei schweren Fällen bis zu fünf Jahre. Für den Staatsanwalt wäre für den Finder der richtige Weg: Handy herausgeben, auf Dankbarkeit hoffen, gegebenenfalls den gesetzlichen Finderlohn gerichtlich einklagen.

Eine Liste der typischen Erpressungsfälle

Offenbar sind die Finder nicht immer ehrlich – wie eine Liste ähnlicher Vorgänge zeigt:

19. Februar 2016: Am Stuttgarter Flughafen wird ein 43-Jähriger von der Polizei festgenommen. Er hatte einer 24-jährigen Frau nur gegen eine Zahlung von mehreren Hundert Euro ihr Mobiltelefon zurückgeben wollen. Sie hatte sechs Tage zuvor ihr Handy auf dem Autodach vergessen und auf der Fahrt verloren.

8. August 2015: Einem 26-Jährigen kommt in der Stuttgarter Innenstadt sein hochwertiges Handy abhanden. Ein paar Tage später meldet sich ein Finder, will 350 Euro für die Rückgabe. Bei dem Treffen am Emil-Schuler-Platz in Zuffenhausen greift die Polizei zu.

7. August 2015: Ein 49-Jähriger verliert in Stuttgart-Luginsland seinen Führerschein. Tags darauf meldet sich ein Unbekannter, er bietet das gefundene Dokument gegen Geld an. Bei einem Treffen in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) nimmt die Polizei einen 64-Jährigen fest.

24. Januar 2015: Einem 26-Jährigen wird in Stuttgart das Handy gestohlen. Er schickt eine Nachricht auf sein Gerät, bietet für die Rückgabe 50 Euro an. Ein 24-Jähriger meldet sich, verlangt aber 100 Euro. Bei der Übergabe am Bahnhof in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) wird der junge Mann dingfest gemacht.

11. August 2014: Die Polizei nimmt im Kernerviertel in Stuttgart einen 72-Jährigen fest, der in einer S-Bahn eine Tasche mit persönlichen Gegenständen einer 24-jährigen Frau gefunden hat. Er hatte Bargeld als Gegenleistung verlangt.

7. Mai 2014: Bei der verabredeten Geldübergabe am Stuttgarter Hauptbahnhof nimmt die Polizei einen 63-Jährigen fest. Er hatte tags zuvor das Handy einer 25-Jährigen in einer Stadtbahn gefunden und wollte es nur gegen 100 Euro wieder herausrücken. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.