Marie-Luise Zeuch (links) und Rosalie Droeger blicken nun nach vorne. Foto: Nina Ayerle

Viele Stuttgarter waren traurig, als „Buch und Spiel“ im vergangenen Jahr aus der Markthalle am Vogelsang ausziehen musste. Nun hat Marie-Luise Zeuch für ihre Buchhandlung in der Kirche St. Stefan an der Rotenwaldstraße eine neue Bleibe gefunden.

S-West - Die Fotos von sich und ihrer Mitarbeiterin möchte Marie-Luise Zeuch schon gerne erst anschauen. Ihr Kommentar dazu: „Die alte Schachtel und was junges Neues.“ Ihre Mitarbeiterin Rosalie Draeger kennt die 64-jährige Wahlstuttgarterin so lange, dass sie sich solche Sprüche erlauben kann. „So etwas wie hier, das schafft man nur gemeinsam“, sagt Zeuch. „Ich habe tolle Mitarbeiterinnen.“ Die haben sie letztlich auch darin bestärkt, noch einmal neu anzufangen.

Seit 1. März ist Marie-Luise Zeuch mit ihrem Laden „Buch und Spiel“ an der Rotenwaldstraße 98 in der Kirche St. Stefan. In dem ehemaligen Kirchenraum, der ganz offiziell Ende Dezember entweiht wurde, finden sich vor den bunten Kirchenglasfenstern nun Kinderbücher, Brettspiele, Plüschtiere und eine Ecke mit Literatur für Erwachsene. „Es ist ein wunderbarer Raum“, sagt Zeuch. Insgesamt schwebt ihr so etwas wie ein Begegnungszentrum für den Stadtteil vor. Sie hat Lesungen, Tischtheater oder Jazzabende in den kommenden Monaten geplant. Auch die Spielenachmittage sind im „Buch und Spiel“ – das ja eben nicht umsonst so heißt – wieder geplant. „Für eine Kirche gibt es eigentlich keine bessere Nutzung wie einen Buchladen“, sagt Zeuch. Eine Fußbodenheizung musste eingebaut werden. Das war es schon. Altar, Kreuz und Marienfigur hat Zeuch stehen lassen, die Ecke thematisch passend hergerichtet.

Die Kirche wird zum Buchladen

Von einer kleinen Ecke mit Platz zum Kaffee trinken oder meditieren, träumt sie noch. Die kleine Außenfläche vor der Tür solle bald „blühen“. Bei ihr sollen die Gäste, wie einst in der Kirche auch, etwas Ruhe finden. „Und wenn sie nur einfach ein paar Minuten die Kirchenfenster anstarren.“

Für Zeuch war die Kooperation mit der Kirche St. Stephan ein purer Glücksfall. Händeringend hat sie ein Jahr lang nach einer neuen Bleibe für ihren Buchladen gesucht. Denn außer dem Stuttgarter Westen kam für sie nichts in Frage. Denn dort sitzen ihre Stammkunden. Sie ist als Leiterin und Gründerin des Verlages edition tertium schon 2004 in die alte Bauernhalle am Vogelsang gezogen. Sieben Jahre war sie dann noch mit der Biomarkthalle, der Filiale von Waschbär und dem Café Lässig in dem neuen Gebäude.

Im Mai vergangenen Jahres mussten die Mieter ausziehen. Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hatten das Grundstück an die Firma Pflugfelder und Vogg, eine GbR von Pflugfelder Immobilien, verkauft. Es war ehemals das Areal des Straßenbahndepots. In das Gebäude der Bauernmarkthalle soll nun in Kürze ein Rewe City Markt einziehen. Rund 130 Wohnungen baut Pflugfelder zudem auf dem Areal, 37 sollen gefördert sein. Die übrigen werden aller Voraussicht nach im höheren Preissegment liegen. Die SSB stand bei vielen in der Kritik, weil sie das Areal nicht selbst bebaut, sondern verkauft hat.

Die Buchhändlerin will nun nach vorne schauen

Marie-Luise Zeuch möchte über all das eigentlich gar nicht mehr nachdenken. „Ich will mich nicht mehr aufregen, sondern nach vorne schauen.“ Einige ihrer Kunden tun es aber noch. Gerade um die älteren Herrschaften aus der Seniorenresidenz tut es auch Zeuch noch leid. Für sie war die Markthalle auch ein Treffpunkt, der gut zu Fuß zu erreichen war. Das Kultur-Bio-Kaufhaus war zudem ein Gesamtkonzept. Wer dort Kaffee trinken war, hat eher mal ein Buch oder eine Karte bei Zeuch gekauft. Nun hofft sie, dass ihre Kunden den Weg an den Westbahnhof finden.