Das Abfackeln von Erdgas auf Bohrtürmen setzt jedes Jahr genauso viel CO2 frei wie 77 Millionen Autos. Die beiden Supermächte – USA und Russland – gehen besonders bedenkenlos mit dem Rohstoff um.
Hannover - Weil zu wenig neue Pipelines und Speicher gebaut werden, werden jedes Jahr riesige Mengen Energie einfach weggeworfen.
Einem aktuellen Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zufolge fackeln vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer jährlich „durchschnittlich 140 Milliarden Kubikmeter Erdgas“ ab. Das entspricht rund vier Prozent der globalen Erdgasförderung oder rund eineinhalbmal dem gesamten deutschen Erdgasverbrauch innerhalb eines Jahres.
In Ländern wie Russland, Nigeria oder Weltregionen wie dem Nahen Osten wird gemäß den BGR-Daten weltweit am meisten Erdgas abgefackelt. Allein in Russland werden 21 Milliarden Kubikmeter Gas in die Luft gepustet. Während die ungenutzt verbrannten Mengen in diesen Gegenden der Welt aber zurückgehen, steigen sie in den USA rasant an. Grund hierfür sei insbesondere der Fracking-Boom, sagte Studien-Co-Autor Jürgen Meßner unserer Zeitung.
Fracking steigert die abgefackelten Mengen
Bei dieser neuen Fördermethode wird Öl aus tiefen Erdschichten mit Hilfe von Hitze, Druck und Chemikalien aus dem Muttergestein gepresst. Dabei werden auch große Mengen Gas frei, die allerdings nur in seltenen Fällen weiterverwertet werden. Dieses sogenannte Fackelgas oder Erdölbegleitgas ist Bestandteil von nahezu allen unterirdischen Rohölvorkommen. Wird das Öl gefördert, fällt dabei fast immer auch ein bestimmter Anteil Erdgas an, der allerdings nur mit einigen technischen Finessen auch genutzt werden kann. Billiger ist es, den Energierohstoff einfach abzubrennen.
Aufgrund der niedrigen Preise rechne es sich in den meisten Fällen nicht, das Gas aufzufangen und weiterzuverarbeiten“, sagt BGR-Experte Meßner. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern fehle oft die nötige Infrastruktur, etwa in Form von Filtern, Pipelines, Speichern oder Gas-Verflüssigungsanlagen. In Deutschland dagegen wird nahezu kein Gas mehr abgefackelt. Auch bei der Ölförderung in der Nordsee wird der Rohstoff seit Jahren über Pipelines abtransportiert und weiterverwertet.
Abfackeln setzt so viel CO2 frei wie 77 Millionen Autos
Aus Klimaschutzgründen ergibt das auch Sinn. Nach Expertendaten erreicht die jährlich abgefackelte Erdgasmenge mit 360 Millionen Tonnen den CO2-Ausstoß von 77 Millionen herkömmlichen Autos. Das entspricht knapp dem doppelten des deutschen Fahrzeugbestands.
Abfackeln ist allerdings nur eine Spielart der Ressourcenverschwendung bei der Ölförderung, das sogenannte Abblasen eine weitere mitunter noch verheerendere. Dabei wird Erdgas unverbrannt in die Atmosphäre entlassen. Aus Klimagesichtspunkten ist Abblasen noch dramatischer als das sinnlose Verfeuern des Rohstoffs. Der Grund: Bei letzterem wird CO2 frei, bei ersterem Methan, das um ein vielfaches klimaschädlicher ist. Nach Schätzungen der Umweltinitiative Methane to Markets überstieg die Klimawirkung des weltweit nutzlos in die Luft gepusteten Methans die durch den deutschen CO2-Ausstoß entstehenden Klimaschäden um mehr das Doppelte. Expertenorganisationen wie das BGR, aber auch die UNO sehen im Abblasen denn auch ein „globales Problem, das für Industrie- wie auch Entwicklungsländer signifikanter Folgen haben kann“.
Verheerende Klimawirkung durch entweichendes Methan
Wie die Praxis das Erdklima schädigt, schwer abzuschätzen. Die ökonomischen Auswirkungen sind dagegen berechenbar. So schätzt die Energiesparte des US-Technologiekonzerns General Electric die jährlichen finanziellen Verluste durchs Abfackeln auf weltweit 15 bis 20 Milliarden US-Dollar (11-14,4 Milliarden Euro) pro Jahr. Auch dem Staat entgehen demnach Milliarden, etwa durch Steuerausfälle. Die Daten beziehen sich allerdings auf 2011, als die Preise für Öl und Gas noch höher lagen als aktuell.