Schüler des Hegel-Gymnasiums verteilen bunt bemalte Taschen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Schüler des Hegel-Gymnasiums wollen Plastiktüten ausrotten. Aber Baumwolltaschen verbrauchen viel Energie in der Produktion. Die bessere Energiebilanz hat eine ganz andere Verpackung.

Stuttgart - Sechs Milliarden Plastiktüten wanderten 2012 in Deutschland über die Ladenkassen. Das sind rund 76 Tüten pro Kopf. Plastiktüten sind Verpackungen mit langer Lebenszeit: Zwischen 100 und 500 Jahren dauert es laut der Deutschen Umwelthilfe, bis eine Plastiktüte vollständig verfallen ist.

„In der Zeit ist aus einer Baumwolltasche schon längst ein neuer Baum gewachsen“, sagt Nicole Barié. Sie unterrichtet Biologie und Italienisch am Hegel-Gymnasium in Stuttgart-Vaihingen und leitet die Umwelt-AG der Schule. Der Plastiktüte hat sie gemeinsam mit ihren Schülern den Kampf angesagt.

Mit Info-Tafeln, Fotos von elend zu Grunde gegangenen Meeresvögeln und 300 Baumwolltaschen im Gepäck hat die Gruppe am Mittwochnachmittag in der Schwabengalerie ein Umweltprojekt gestartet. Menschen, die hierher zum Einkaufen gekommen sind, konnten ihre Plastiktüten gegen Baumwoll-Tragetaschen eintauschen und die neuen Taschen bemalen. Manche von ihnen hatten die Schüler vorher schon selbst bunt bemalt. Rund 25 Schüler waren bei dem Projekt dabei. „Wir wollen, dass die Leute mehr Stofftaschen benutzen“, sagt die elfjährige Josephin aus der Klasse 6a über das Projekt. „Man sollte mehr auf Plastik achten“, fügt ihre Klassenkameradin Luise hinzu.

Herstellung von Baumwolltaschen benötigt viele Ressourcen

Was die Schüler und ihre Lehrerin den Besuchern der Schwabengalerie an diesem Nachmittag nicht verrieten: Baumwoll-Tragetaschen zersetzen sich zwar schneller als Plastiktüten, aber ihre Herstellung verbraucht mehr Material und Energie als die von Einweg-Plastiktüten. Damit ein Baumwollbeutel in seiner Umweltbilanz besser abschneidet als eine gewöhnliche Plastiktüte, muss er zwischen 25 und 32 Mal wieder verwendet werden. Das hat die Deutsche Umwelthilfe herausgefunden.

Nach ihren Informationen ist der Umwelt-Star unter den Tragetaschen hingegen selbst aus Kunststoff gemacht: Mehrweg-Tragetaschen aus Kunststoff, meist mit einem Stoffhenkel, wie sie von vielen Lebensmittel- oder Drogeriemärkten verkauft werden, schneiden am besten ab. Sie müssen nur drei Mal wiederverwendet werden, bis ihre Umweltbilanz besser ist als die der Einwegtüte.

Mikro-Plastikpartikel in Kleidung und Kosmetika

„Das haben wir nicht gewusst“, sagt Josephin vom Hegel-Gymnasium. Lehrerin Barié betont, dass es bei dem Projekt ja auch eher um den Symbolcharakter gehe. „Die Plastiktüte steht stellvertretend für das gesamte Problem“, sagt sie. „Wir wollen erreichen, dass die Leute Plastik generell vermeiden“.

Aber das ist nicht so einfach wie gedacht. Denn heutzutage stecken Plastikpartikel in vielen Produkten, an die beim Stichwort Umweltschutz kaum einer denkt – in Kleidungsstücken, Zahnpasta und Kosmetika. Gerade die Mikropartikel in diesen Produkten sind ein Problem. Sie gelangten beim Waschen ins Abwasser und dann in die Flüsse, sagt Fabian Schlabach, Sprecher der Stadt Stuttgart. Erst einmal im Meer angekommen, sind diese Mikro-Plastikpartikel laut dem World Wide Fund for Nature (WWF) besonders gefährlich.

Kleine Meerestiere verwechseln sie mit Plankton und fressen das Plastik. So gelangen die Partikel schließlich in die menschliche Nahrungskette. Das Problem der Plastiktüten, so Schlabach, werde dagegen „vermutlich falsch eingeschätzt, denn diese gelangen vom Binnenland aus kaum in Abwasser, Flüsse und Meere.“Das gilt zumindest für Deutschland, wo es keine Deponierung von Haushaltsmüll mehr gibt. Die Tüte, die in den Fluss fliegt und schließlich im Meer landet, dürfte in Deutschland somit ein Ausnahmefall sein. Zeit für die Umwelt-AG des Hegel-Gymnasiums, die Lupe auszupacken: Mikro-Plastikpartikel sind eine neue Herausforderung..