Auch in der Donau, wie hier in Sigmaringen, sind zahlreiche Spurenstoffe nachgewiesen worden. Foto: dpa/Felix Kästle

Nach neun Jahren hat die Landesregierung erstmals wieder einen Bericht zu den Spurenstoffen in Flüssen vorgelegt. Die Lage ist seither nicht besser geworden. Vor allem Arzneimittel sind ein Problem.

Schmerzmittel, Pille, Blutdrucksenker – was uns Menschen hilft und nützt, schadet Fischen, Muscheln und Schnecken massiv: „Viele der Verbindungen beeinträchtigen Wasserorganismen bereits in geringen Konzentrationen von weniger als ein millionstel Gramm“, sagte Ulrich Maurer, der Präsident der Landesanstalt für Umwelt, anlässlich der Veröffentlichung des zweiten Inventarberichts über Spurenstoffe in Flüssen. Neben Arzneien gelangen auch Pestizide, industrielle Stoffe oder Haushaltschemikalien in die Gewässer – und über das Trinkwasser teilweise auch wieder in den menschlichen Körper zurück.

Zur Einordnung muss man natürlich betonen, dass die Flüsse in den letzten 50 Jahren deutlich sauberer geworden sind, weil zum Beispiel keine Schwermetalle mehr eingeleitet werden. Aber die Spurenstoffe können, auch wenn der Begriff Spurenstoffe etwas anderes suggeriert, in hohen Mengen vorkommen. Beim ersten Bericht 2014 rechneten die Autoren vor, dass allein die Kläranlage Heilbronn pro Jahr 6,5 Tonnen Spurenstoffe in den Neckar entlässt.

Bei sieben Stoffen wurde der Grenzwert teils deutlich übertroffen

Umweltminister Thekla Walker (Grüne) musste nun einräumen, dass es seit damals keine wirkliche Verbesserung gegeben hat. 2014 wie heute ist etwa die Hälfte der untersuchten 90 Spurenstoffe häufig bis regelmäßig in jedem Gewässer zu finden, wenn auch meist in Konzentrationen unter den Grenz- oder Referenzwerten. Nur fünf Stoffe wurden gar nirgends entdeckt. Und bei immerhin sieben Stoffen wurden die geltenden Referenzwerte sogar im Schnitt aller überprüften Gewässer überschritten.

Zu diesen wenig glorreichen Sieben gehört das Schmerzmittel Diclofenac, dessen Konzentration in den Flüssen im Schnitt drei Mal so hoch ist wie gerade noch akzeptabel. Weiter steht das weit verbreitete Bluthochdruckmittel Candesartan auf der Liste, ebenso werden die Richtwerte bei drei Röntgenkontrastmitteln gerissen. Daneben sind auch die Werte von PFOS, einer mittlerweile überall vorkommenden und wahrscheinlich krebserregenden Chemikalie, zu hoch. Zuletzt gehört Fluoranthen zu dieser Gruppe, das unter anderem beim Reifenabrieb entsteht.

Auswirkungen auf die Lebewesen in den Flüssen sind kaum bekannt

Für manchen dürfte überraschend sein, dass kein Pestizid in dieser Gruppe auftaucht. Insgesamt finden sich auch nur zwei der 14 geprüften Spritzmittel unter den häufig vorkommenden Spurenstoffe, und eines davon, das Herbizid Terbutryn, wird nicht in der Landwirtschaft verwendet, sondern bei Fassadenanstrichen. Dennoch sind Pestizide ein Problem. Die Landeswasserversorgung, die drei Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt, stellt im Donauwasser bei ihren Analysen etwa Glyphosat fest. Und neuere Studien etwa des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung haben ergeben, dass in kleineren Gewässern, also Bächen, Gräben und Teichen, bei mehr als 80 Prozent zu hohe Pestizid-Rückstände nachgewiesen wurden.

Vor allem sind viele Risiken noch kaum abschätzbar. Dies sieht auch Thekla Walker so: „Wir wissen leider zu wenig über die Auswirkungen auf die Lebewesen in den Gewässern.“ Das Gleiche gilt im Übrigen auch bezüglich der Folgen für den Menschen. Bernhard Röhrle, der Sprecher der Landeswasserversorgung, spricht sogar von einem Blindflug mit womöglich dramatischen Konsequenzen. So sei Chlorthalonil, ein Spritzmittel gegen Pilze, bisher als unbedenklich eingestuft worden; mittlerweile könne es doch krebserregend sein, glaube die Forschung. Es findet sich selbst im Grundwasser, aus dem der Versorger das Trinkwasser schöpft. Durch Mischen mit anderem Wasser bleibt die Menge aber weit unter dem Grenzwert.

Vierte Reinigungsstufe hilft, ist aber kein Allheilmittel

Erstmals hat die Landesanstalt für Umwelt in ihrem Bericht auch die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt. Dabei zeigt sich wenig überraschend, dass Flüsse, die wegen einer Hitzewelle wenig Wasser führen, höhere Konzentrationen an Schadstoffen enthalten. Der Klimawandel verschärft also die Probleme. Leider wurde umgekehrt nicht untersucht, wie sich die Menge an Schadstoffen in den Flüssen bei stärkeren Regenfällen verändert – 20 bis 40 Mal im Jahr regnet es überall so heftig, dass Abwässer etwa über Regenüberlaufbecken ungeklärt in die Flüsse geleitet werden. Die Arbeiten etwa von Marie Launay, der Leiterin des Kompetenzzentrums Spurenstoffe an der Universität Stuttgart, haben gezeigt, dass auf dem Weg der Überläufe erschreckend hohe Schadstoffmengen in die Gewässer gelangen.

Was der Bericht aber nachweisen kann, ist dies: die sogenannte vierte Reinigungsstufe wirkt, bei der das Abwasser in einer Kläranlage zusätzlich mit Aktivkohle oder Ozon gereinigt wird. Dabei können zumindest teilweise auch Arzneimittel herausgefiltert werden. Laut dem Umweltministerium verfügen derzeit 25 Kläranlagen im Land über eine solche Stufe; zusammen reinigen sie das Abwasser eines Sechstels aller Einwohner Baden-Württembergs. 27 weitere Anlagen befinden sich im Bau oder in der Planung.

Klar ist aber auch: das kann nicht die alleinige Lösung sein. Diffuse Schadstoffeinträge in die Flüsse, etwa über die Überläufe oder aus der Landwirtschaft, lassen sich so nicht verhindern. Das Ziel, betont Ulrich Maurer, müsse deshalb sein: „Die Vermeidung der Einträge an der Quelle ist immer noch die wichtigste Vorsorge.“

Was jeder tun kann

Schmerzmittel
Das Medikament Diclofenac, das gegen Schmerzen und Entzündungen eingesetzt wird, ist einer der häufigsten Schadstoffe in den Flüssen; seine Konzentration ist zudem im Schnitt drei Mal so hoch wie empfohlen. Experten raten, die Hände bei der Anwendung als Salbe hinterher nicht abzuspülen, sondern mit einem Papiertuch zu reinigen und dieses dann im Hausmüll zu entsorgen. Der Eintrag ins Abwasser lasse sich damit um 70 Prozent reduzieren. Ibuprofen ist ebenfalls eine sehr häufige Arznei, kann aber im Gegensatz zu Diclofenac in den Kläranlagen gut abgebaut werden.

Spülmittel
Die Gruppe der Benzotriazole findet sich häufig in Reinigungsmitteln für Geschirrspülmaschinen. Das Umweltministerium empfiehlt, bei Wasch- und Putzmitteln im Haushalt grundsätzlich auf ökologische Produkte zu setzen.

Pestizide
Auf Artikel zur Bekämpfung von Unkraut oder Schädlingen sollte man in Haushalt und Garten möglichst ganz verzichten. fal