Klärschlamm enthält unter anderem Schwermetalle und muss entsorgt werden. Aber im Land geht nur noch ein Prozent der 236 000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr direkt auf die Äcker. Das meiste wird verbrannt. Foto: factum/eise

Das Abwasser kann in Baden-Württemberg immer besser gereinigt werden. Doch es gibt noch viel zu tun. So gelangen weiterhin zu viel Phosphor, Medikamentenreste oder Pflanzenschutzmittel in die Bäche und Flüsse.

Stuttgart - Das Gute vorneweg: Die Bäche und Flüsse in Baden-Württemberg sind in den letzten Jahrzehnten viel sauberer geworden, und das liegt zu einem guten Teil an den derzeit 904 Kläranlagen. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat recht, wenn er anlässlich der Vorstellung des neuen Abwasserberichts sagt: „Wir haben viel erreicht. Die Abwasserbeseitigung im Land befindet sich mittlerweile auf einem hohen Niveau.“

 

Doch Probleme gibt es weiterhin mehr als genug – die Experten schätzen den Investitionsbedarf der nächsten Jahre auf gewaltige 5,3 Milliarden Euro für Baden-Württemberg. Eine der größten Herausforderungen ist das Abschöpfen des Phosphors. Er ist zum einen ein wichtiger Rohstoff, den man wiederverwenden will. Zum anderen schadet er den Flüssen massiv, weil er sie überdüngt und dem Wasser der Sauerstoff entzogen wird. Vieles ist schon besser geworden: Im Neckareinzugsgebiet konnte man die Menge des Phosphors, der aus den Kläranlagen in die Flüsse gelangt, im vergangenen Jahrzehnt halbieren – dennoch fließen weiter 300 Tonnen pro Jahr in den Neckar und seine Nebenflüsse. Gerade kleinen Kläranlagen fehlen entsprechende Vorrichtungen.

Klärwerke sind womöglich Hauptquelle beim Phosphor

Kai Baudis, der stellvertretende Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg, hält das Problem sogar für unterschätzt. Nach gewissen Indizien kämen stolze 60 Prozent des Phosphors in den Flüssen aus den Kläranlagen und nicht wie bisher geschätzt 40 Prozent. Auch deshalb habe das Land den guten Zustand, den die EU-Wasserrahmenrichtlinie für alle Gewässer vorschreibt, nirgends erreicht. „Das ist ein lausiges Ergebnis“, sagt Baudis.

Eine weitere Herausforderung sind die Medikamentenreste, Pflanzenschutzmittel und Chemikalien, die zwar nur in kleinen Mengen im Abwasser vorkommen, aber lange Zeit gar nicht herausgefiltert werden konnten. Mittlerweile haben 16 Kläranlagen im Land eine sogenannte vierte Reinigungsstufe, die mit Aktivkohle arbeitet; 16 weitere sind in Planung oder im Bau, darunter auch bei der in Stuttgart-Mühlhausen, der mit Abstand größten Kläranlage im Südwesten. Das Land achtet darauf, dass der Ausbau vor allem an sensiblen Gewässern erfolgt. Baden-Württemberg sei in diesem Punkt Vorreiter in Europa, sagt Untersteller. Aber selbst mit dann 32 Anlagen stünde die vierte Stufe vorerst nur für ein Viertel der Abwassermenge zur Verfügung.

Viel getan hat sich auch bei den Regenüberlaufbecken; heute gibt es 7600 Becken im Land. Sie sollen Regen-, aber auch Abwasser zurückhalten und dann dosiert an die Kläranlagen abgeben. Bei immer häufiger eintretenden Starkregen reichen die Kapazitäten aber nicht aus, und dann wird der Überschuss direkt in die Flüsse entlassen – also auch ungeklärtes Abwasser. „Dieses Problem, das in keinen Statistiken auftaucht, darf man regional nicht unterschätzen“, betont der BUND-Experte Kai Baudis. Es könne mehrfach im Jahr der Fall sein, dass die Flüsse so verschmutzt werden.

Auch bei den Klärschlämmen – das ist das Substrat, das am Ende in den Kläranlagen übrig bleibt und entsorgt werden muss – liegen Fluch und Segen nahe beieinander. Es ist ein Erfolg, dass heute nur noch ein Prozent der 236 000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr in Baden-Württemberg direkt auf die Äcker ausgebracht wird. Denn das Material enthält Schwermetalle und viele andere Schadstoffe. Fast alles wird heute verbrannt. Doch weil die Zahl der Kohlekraftwerke rückläufig ist, gibt es immer weniger Abnehmer für den Klärschlamm; der Preis ist gewaltig gestiegen. Das zahlen zuletzt die Bürger.

Klärschlamm wird auch in Zementwerken verbrannt

Verstärkt verbrennen jetzt Müllverbrennungsanlagen und im Südwesten vier Zementwerke die Klärschlämme. Das habe sogar Vorteile, betont Silke John vom Umweltministerium. Erstens könne der übrig bleibende Sand als Rohstoff für den Zementklinker verwendet werden, und zweitens sei der Klärschlamm im Gegensatz zur Kohle klimaneutral. Manches Zementwerk erhält aber eine Ausnahmegenehmigung und darf mehr Schadstoffe in die Luft entlassen, als es die Immissionsschutzverordnung von 2017 vorschreibt. An manchen Orten laufen Umweltschützer deshalb Sturm. Das Umweltbundesamt als oberste Wächterin sieht derzeit aber keinen Anlass für Kritik.

Mehr als 1200 Einzelmaßnahmen hat es seit 2009 an den Kläranlagen gegeben – es ist und bleibt eine Sisyphusarbeit. Rund zwei Milliarden Euro an Investitionen sind noch erforderlich, um Kläranlagen zusammenzulegen oder besser auszustatten. Zudem muss für 3,3 Milliarden Euro fast ein Viertel der Mischwasserkanäle ausgetauscht werden. Das entspricht rund 13 000 Kilometern.