Umweltministerin Barbara Hendricks und VW-Vorstandschef Matthias Müller trafen sich zum Krisengespräch. Foto: dpa

Vor dem Diesel-Gipfel nächste Woche kündigt Umweltministerin Barbara Hendricks einen härteren Kurs gegenüber der Autoindustrie an. VW verkündete zeitgleich, nunmehr insgesamt vier Millionen Dieselautos nachrüsten zu wollen.

Wolfsburg - Zwar sind die Beziehungen zwischen Sozialdemokraten und VW traditionell eng. Aber kaum, dass Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstagmorgen in den ICE nach Wolfsburg gestiegen ist, macht sie deutlich, dass sie alles andere als gut zu sprechen auf den Volkswagen-Konzern ist. Sie ist auf dem Weg dahin, wo der Abgas-Skandal, der nicht nur VW in den Strudel gezogen hat, sondern die ganze Branche in Turbulenzen bringt, vor knapp zwei Jahren seinen Anfang genommen hat. „Naheliegend“ seien die Kartellvorwürfe gegen die deutsche Automobilindustrie, die voriges Wochenende laut geworden sind, sagte Hendricks harschen Tones in die Mikrofone. „Die Bundesregierung muss der Automobilindustrie helfen, ihre Reputation zurückzugewinnen.“

SPD-Ministerin Hendricks setzt auf Konfrontation gegenüber der Autoindustrie

Nichts könnte klarer sein, als dass dieser Satz für Hendricks gar nichts mit Fördern, aber alles mit Fordern zu tun hat. „Die Kumpanei, die es zwischen Teilen der Bundesregierung und der Industrie gegeben hat, muss enden“, sagt sie. Vor dem Diesel-Forum am nächsten Mittwoch macht Hendricks Schluss mit dem bisherigen Kuschelkurs zwischen Politik und Autoindustrie – das ist jedenfalls die Botschaft, die sie setzen will: Konfrontation statt Kooperation soll ab jetzt die Devise sein.

Beim Dieselforum will die Bundesregierung mit den Autoherstellern und den besonders betroffenen Ländern, vereinbaren, wie der Diesel so sauber werden kann, dass die Stickoxid-Grenzwerte ohne Fahrverbote eingehalten werden können. „Ich glaube, die Autoindustrie hat diesen allerletzten Weckruf gebraucht, um in die Puschen zu kommen“, sagt die Ministerin. Sie ist gemeinsam mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Gastgeber des hochrangigen Treffens. Und nach ihrem Willen soll die neue Zeitrechnung in der deutschen Autopolitik genau dann beginnen. „Wir werden unsere Anforderungen präsentieren“, kündigt sie an. Vorgespräche mit der Branche? Gibt es angeblich keine. Das Software-Update für Diesel-Motoren, über das am Mittwoch geredet wird, lässt sie als Nachbesserung gelten und macht zugleich klar: „Das ist ein erster Schritt“. Beim Gipfel werde es darüber hinaus auch Zielvereinbarungen über echte, fristen-bewehrte Nachrüstungsmaßnahmen geben.

VW kündigt Software-Updates für insgesamt vier Millionen Autos an

Als Hendricks zwei Stunden später von dem Vier-Augen-Gespräch mit VW-Chef Matthias Müller zurückkommt, lächelt sie entspannt, während der krisengeplagte Vorstandsvorsitzende den Rücken kerzengerade durchgedrückt und angespannt bis in die Fingerspitzen in die Kameras blickt. Dass es auch hinter verschlossenen Türen gerappelt hat, lässt Müller mit der Formulierung durchblicken, dass es ein „sehr gutes, offenes und in Teilen kritisches Gespräch“ gewesen sei. VW wolle nun dazu beitragen, dass der Diesel-Gipfel ein Erfolg wird. Deshalb stockt der Konzern die Software-Updates von 2,5 Millionen Fahrzeugen, zu denen sie wegen der illegalen Abschalteinrichtungen verpflichtet sind, um 1,5 Millionen freiwillige Updates auf.

Ohrfeige für den VDA

Während Müller den Drei-Minuten-Auftritt gequält und knapp zu Ende bringt, spricht Hendricks erneut von ihrer „Enttäuschung“, von Verbrauchertäuschungen und davon, dass der Staat es in der Vergangenheit an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen und die Unternehmen sich deswegen „zu sicher gefühlt“ hätten. Den Verband der Autoindustrie watscht sie gleich mit ab. Dass das Ende des Verbrennungsmotors 800 000 Arbeitsplätze in Deutschland koste, wie vorige Woche behauptet, hält sie für „schlicht falsch“, eine „klassische Drohgebärde“ und „nicht hilfreich“. Zur Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens schlägt sie eine zusätzliche Kontrollbehörde neben dem Kraftfahrtbundesamt vor – die müsse nicht beim Umwelt-, sondern könne auch beim Verbraucherministerium angesiedelt sein. „Aber ohne eine Ausweitung der Kontrollen wird es nicht gehen.“

Ist der Diesel-Gipfel ernst gemeint oder nur Show?

Damit hat die Umweltministerin sich für das Diesel-Forum positioniert. Aber ob der Wendepunkt in der deutschen Autopolitik bevorsteht? Als die Manipulationsvorwürfe gegen VW vor zwei Jahren öffentlich wurden, versprach Verkehrsminister Dobrindt „partnerschaftliche“ Aufklärung zusammen mit der Industrie. Die Vorbereitungen für das Dieseltreffen am Mittwoch laufen noch. Ob die Regierung insgesamt am Ende gegenüber der wichtigen Branche nicht nur bellt, sondern auch beißt – oder ob Barbara Hendricks und die SPD mit ihrer neuen Härte gegenüber der Auto-Branche vor allem die Union in die Bredouille bringen will – muss sich noch zeigen. VW-Vorstandschef Müller jedenfalls drückt die bange Hoffnung aus, „dass der Diesel-Gipfel eine ernsthafte Angelegenheit und keine Showveranstaltung wird“.