Franz Untersteller ist seit 2011 Landesminister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Foto: dpa

Es sei nicht sinnvoll, beim Braunkohleausstieg eine Deadline zu setzen, meint Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne).

Stuttgart – Der gebürtige Saarländer Franz Untersteller (61) ist seit 2011 Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Südwesten. Der Vater zweier Kinder hat Landschaftsplanung an der damaligen Fachhochschule Nürtingen studiert. Es sei nicht sinnvoll, beim Braunkohleausstieg eine Deadline zu setzen, meint er. -

Herr Untersteller, Baden-Württemberg sitzt nicht in der Kohlekommission, sondern nur auf der Zuschauerbank. Außer dem Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft Stefan Kapferer, der zufällig in Karlsruhe geboren ist, ist das Land nicht vertreten. Macht Sie das jetzt, wo das Gremium auf die Schlusskurve einbiegt, etwas nervös?

Nervös ist nicht der richtige Ausdruck, es ist ja nicht so, dass es in der Kommission keinen Sachverstand gäbe. Aber ja, ich hätte es bevorzugt, selbst mit am Tisch sitzen zu können, um die Interessen des Landes Baden-Württemberg zu vertreten. Immerhin sind wir bei der Steinkohle ein wichtiger Akteur. Wir fördern sie nicht, aber wir sind der zweitgrößte Nutzer von Steinkohle bundesweit. Beispielsweise in den Fernwärmezentren im Raum Mannhein und im Raum Karlsruhe wird sie derzeit gebraucht.

Ein Braunkohlerevier, das abgewickelt werden muss, hat Baden-Württemberg nicht. Betroffen ist das Land trotzdem. Klimabelastung, Versorgungssicherheit, Strompreisentwicklung – da kann doch ein Wirtschaftsstandort wie Baden-Württemberg nicht einfach nur zuschauen und abwarten? Hat das Land da überhaupt keine Interessen?

Natürlich haben wir Interessen. Wobei alle Stichworte, die sie genannt haben, gesamtgesellschaftliche Interessen sind. Klimawandel und Versorgungssicherheit sind wesentliche Zukunftsfragen, die alle betreffen. Aber unser Einfluss auf die Besetzung der Kohlekommission war gering, das erklärt sich durch die politischen Gegebenheiten in Berlin und in den Kohleländern.

Wann muss der Braunkohleausstieg aus Ihrer Sicht spätestens beendet sein?

Es macht keinen Sinn, eine Deadline zu setzen. Ich habe immer gesagt, dass wir für eine Übergangszeit nach dem Atomausstieg und während der Energiewende auch Kohle als Energiequelle benötigen. Der Braunkohleausstieg muss so gestaltet werden, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht, das ist das entscheidende Kriterium. Und da diese Ziele massiv in Frage gestellt sind durch die bisherige Politik der Bundesregierung, ist klar, dass wir den Ausstieg jetzt und sehr zielgerichtet angehen müssen. Zielgerichtet heißt, dass es nicht reicht, ein paar Kraftwerke abzuschalten. Wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass die übrigen dann nicht umso mehr laufen, beispielsweise durch einen CO2-Mindestpreis, der Kohlekraftwerke insgesamt unrentabler macht.

Ist es dabei ganz egal, welchen Preis der frühe Ausstieg kostet?

Egal ist es natürlich nicht. Aber es ist offensichtlich und schon oft wissenschaftlich vorausberechnet, dass die Folgekosten des Klimawandels dermaßen hoch sein werden, wenn wir weiter so zögerlich Klimapolitik betreiben, dass die Höhe der Kohleausstiegskosten in meinen Augen in der Tat nicht die wichtigste Frage ist. Wir müssen die sozialen Aspekte des Ausstiegs bedenken – was wird aus den Arbeitsplätzen, wie gelingt es, den Beschäftigte der Kohleindustrie eine Perspektive zu geben. Und wir müssen sicherstellen, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt, sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor. Das gelingt mit Hilfe der erneuerbaren Energien. Deren Ausbau voranzutreiben ist natürlich ganz entscheidend, dann werden wir auch sehen, dass der Strompreis trotz Kohleausstieg stabil bleibt.

Wie groß ist das Risiko, dass der Kohleausstieg wegen Koalitionsbruchs und Neuwahlen auf die lange Bank gerät?

Ich sehe ein Risiko, in der Tat. Aber derzeit haben wir eine Bundesregierung, und ich hoffe sehr, dass sie ihre Verantwortung bei allen Problemen auch wahrnimmt. Und es ist eine große Verantwortung.