Das Betanken eines Autos wurde lang nicht mehr von so viel Publikum gewürdigt. Foto: factum/Granville

Eine Tankstelle verkauft künftig Wasserstoff für Autos mit Brennstoffzellen-Antrieb. Was noch fehlt, sind die Kunden.

Sindelfingen - Das letzte Mal muss das Betanken eines Autos in der Frühzeit der Automobilität von derart großem Publikum bestaunt worden sein. Um die 50 Menschen versammeln sich an einem weißen Mercedes. Fotografen dokumentieren, wie der Tankschlauch auf den Stutzen gleitet. Dies ist ein offizieller Termin. Anlass ist, dass die Shell-Tankstelle an der Sindelfinger Neckarstraße künftig Wasserstoff verkauft. Das Gas wird in Brennstoffzellenautos chemisch zu Wasser umgewandelt. Bei dem Prozess entsteht elektrische Energie, die Elektromotoren antreibt.

Brennstoffzellenautos fahren abgasfrei und mit einer Tankfüllung 400 bis 700 Kilometer weit. Das Nachtanken dauert nur unwesentlich länger als an einer Benzin-Zapfsäule. Die Kosten für Wasserstoff entsprechen auf den Kilometer umgerechnet denen von gewöhnlichem Sprit.

Eine Wasserstoff-Zapfsäule kostet rund 1,3 Millionen Euro

Die Redner sprechen viel von der Mobilität der Zukunft. Norbert Barthle zum Beispiel, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, prophezeit: „Wasserstoff hat eine großartige Zukunft.“ Die Bundesregierung fördert die Brennstoffzellentechnik bis 2019 mit 250 Millionen Euro. Bisher sind bundesweit 32 Wasserstoff-Zapfsäulen eingeweiht worden, in Baden-Württemberg neun. Jede hat rund 1,3 Millionen Euro gekostet. 70 Prozent davon zahlt der Bund. Bis Ende 2018 soll die Zahl schon auf 100 Säulen gewachsen sein.

Allerdings mangelt es noch an Kunden. In Deutschland liefern Toyota und Hyundai je ein Brennstoffzellenmodell an Privatkunden aus. Mercedes will im Verlauf dieses Jahres eine GLC-Variante auf den Markt bringen. Andere Brennstoffzellenmodelle fahren bisher in Flotten öffentlicher Einrichtungen gewissermaßen im Probebetrieb, sogar bei der Polizei. Womöglich bereut die Daimler-Chefetage angesichts der Diesel-Debatte auch, die Technik nicht früher zur Marktreife gebracht zu haben. Das erste Brennstoffzellenauto mit Stern fuhr bereits im Jahr 1994. Alle anderen Hersteller begannen mit der Entwicklung erst nach der Jahrtausendwende.

Umweltschützer kritisieren auch die abgasfreie Technik

Umweltschützer kritisieren, dass die Produktion von Wasserstoff Energie frisst. Ein Firmenkonsortium namens H2 Mobility bemüht sich um dem Aufbau des Zapfsäulennetzes. Zu dessen selbsterklärten Zielen gehört, dass für die Produktion auf lange Sicht Solar- oder Windkraft verwendet werden soll. Eine massenhafte Verbreitung der Mobile verhindert wohl eher der Preis als die Energiebilanz. Der Hyundai ix 35 kostet 65 500 Euro und ist damit das billigste Brennstoffzellenfahrzeug. An die Zukunft der Technik glauben offenbar nicht nur Automobilhersteller. Alstom hat eine Lok präsentiert, die mit Wasserstoff angetrieben wird. In Amsterdam schippert ein Brennstoffzellenboot Touristen durch die Grachten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat 2009 das erste Flugzeug mit Wasserstoffantrieb starten lassen.