Chemikalien machen Kleidung wasserfest – und belasten die Umwelt. Foto: dpa/Sven Hoppe

Sie schützen Oberflächen vor Schmutz, Wasser oder Fett, sind aber nur sehr schwer abbaubar. Das macht eine Gruppe fluorhaltiger Moleküle zum Problem. Die EU hat die Weichen für eine kritische Überprüfung dieser Stoffe gestellt.

Textilien, Verpackungen, beschichtete Pfannen – sogenannte Ewigkeitschemikalien, abgekürzt PFAS, sind vielfältig einsetzbar. Doch sie tauchen auch in Lebensmitteln, in der Luft oder im Boden auf. Eine neue, exklusive Recherche der Süddeutschen Zeitung und der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender WDR und NDR belegt nun, welche Orte in Deutschland besonders verschmutzt sind. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.

Um welche Stoffe geht es?

In Fokus steht die Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die mehr als 10 000 verschiedene Stoffe umfasst. Es handelt sich um Kohlenwasserstoffe, deren Wasserstoffatome entweder komplett (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt wurden. PFAS kommen nicht natürlich vor und werden seit den 1950er Jahren verwendet. Während zu den älteren Substanzen dieser Stoffklasse in der Regel toxikologische und andere wissenschaftliche Daten vorlägen, sei das bei den später entwickelten oft nicht der Fall, heißt es beim Umweltbundesamt (UBA). „Über die meisten neueren PFAS haben Behörden und Wissenschaftler kaum Informationen zu den genauen chemischen Strukturen, zu den Verwendungen, zum Verhalten der Stoffe in der Umwelt und zu den Wirkungen auf Mensch und Umwelt“, so das UBA.

Wo werden diese Stoffe verwendet?

PFAS sind wahre Alleskönner. Wegen ihrer hohen Stabilität und ihren schmutz- und wasserabweisenden Eigenschaften werden sie häufig für den Schutz von Oberflächen eingesetzt. Ein wichtiger Abnehmer ist die Textilindustrie, in der rund die Hälfte aller PFAS zur Anwendung kommt. Sie machen etwa Outdoorkleidung wasserfest oder verhindern, dass Schmutz in Sofabezüge oder Teppichfasern eindringt. Das chemisch eng verwandte Teflon dient als Antihaftbeschichtung in Pfannen und Töpfen. PFAS sind auch Bestandteil des Schaums in Feuerlöschern. Weitere Anwendungsgebiete sind galvanische Prozesse – etwa zur Verchromung von Metallen –, Kälte- und Kühlmittel sowie beschichtete Verpackungen.

Wie wirken sich die Chemikalien auf Ökosysteme aus?

Die Eigenschaften, welche PFAS für so viele Anwendungen interessant machen, werden zum Problem, wenn die Stoffe in die Umwelt gelangen. Die äußerst stabilen Moleküle werden durch Mikroben oder Sonnenlicht nur sehr langsam abgebaut und reichern sich daher in Ökosystemen und Nahrungsketten an. „PFAS werden weltweit in Gewässern, Luft und Böden nachgewiesen. Auch im Blutserum von Menschen können sie vorkommen und gesundheitliche Effekte haben“, schreibt das Umweltbundesamt. Pflanzen können die Stoffe ebenfalls aufnehmen.

Was weiß man über Gesundheitsrisiken?

„Im Tierversuch wurden einige Einzelsubstanzen getestet, und je nach Substanz wurde bei den entsprechend hohen eingesetzten Dosierungen eine Reihe von schädlichen Wirkungen gefunden“, sagt Martin Göttlicher, Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie am Helmholtz-Zentrum München. Als Beispiele nennt er Lebervergrößerung, Störungen des Fettstoffwechsels, abgeschwächte Immunreaktionen sowie einer Erhöhung des Krebsrisikos. Allein aus der Gegenwart einer Substanz in Umwelt und Körper folgten aber nicht zwangsläufig „bedeutende Gefahren für die eigene Gesundheit“ – zumindest im Vergleich zu anderen Risiken, so Göttlicher. Positiv zu werten sei auch, dass die Konzentrationen vieler PFAS im Blut von Menschen seit 1990 „je nach Substanz um zehn bis 30 Prozent zurückgegangen sind“, sagt Jan Hengstler, Toxikologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund. Zugleich weist er jedoch darauf hin, dass die Datenlage teilweise recht dürftig sei.

Welche Grenzwerte gibt es?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält für vier häufige PFAS eine wöchentliche Aufnahme von vier Nanogramm (Milliardstel Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht für tolerierbar. Daraus leiten sich etwa Höchstgehalte für bestimmte Lebensmittel oder Trinkwasser ab. Für wichtige PFAS in menschlichem Blutplasma hat das Umweltbundesamt einen unteren Beurteilungswert festgelegt, bis zu dem keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten ist, und einen oberen Wert, ab dem eine Beeinträchtigung „prinzipiell möglich“, aber nicht zwangsläufig sei. Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Erhebung des UBA gab es bei rund einem Fünftel der untersuchten Kinder Überschreitungen des unteren Werts, bei jungen Erwachsenen dagegen nicht. Der obere Wert wurde bei einer der Substanzen nie und bei einer anderen in 0,17 Prozent der Fälle überschritten.

Was plant die EU?

Weil sich PFAS in der Umwelt anreichern und Unklarheit über mögliche Gesundheitsgefahren herrscht, plädieren Experten im Sinne des Vorsorgeprinzips schon länger für strengere Regeln. Im März will die EU-Chemikalienagentur (ECHA) nun prüfen, ob Verbote mit EU-Recht vereinbar sind. Falls ja, wird der Vorschlag wissenschaftlich untersucht. In der Regel dauert das etwa ein Jahr. Dann entscheiden die EU-Kommission und die EU-Staaten über mögliche Beschränkungen. Beobachter rechnen nicht vor 2025 mit einem möglichen generellen Verbot von PFAS. Unternehmen sollen bis zu zwölf Jahre Zeit haben, um Alternativen zu finden. Zwei zuvor häufig eingesetzte PFAS sind bereits verboten: Perfluoroctansäure (seit 2020) und Perfluoroctansulfonsäure (seit 2019).

Wie man sich schützen kann

Nahrung
 Wer beschichtete Einmalbehälter aus Karton für Lebensmittel wie Becher oder Pizzakartons meide, könne seine PFAS-Belastung reduzieren, auch wenn nicht alle Verpackungen PFAS enthielten, sagt der Toxikologe Martin Göttlicher. Das trage auch zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und zu einer geringeren Umweltbelastung bei.

Kleidung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht keine Gefahr, dass PFAS etwa aus Outdoorbekleidung über die Haut in den Körper gelangen könnten. Die wesentliche Aufnahmequelle für diese Stoffe seien Nahrungsmittel. Einige Outdoorhersteller nutzen auch Alternativen zu PFAS.