Auerhahn im Schnee Foto: dpa

Im ökologisch wertvollsten Teil des Schwarzwalds plant die EnBW einen umstrittenen Stausee.

Forbach - Mitten im ökologisch wertvollsten Teil des Nordschwarzwalds plant die EnBW einen Stausee. Umweltschützer sind hin- und hergerissen, denn wieder einmal droht ein Konflikt: saubere Energie gegen intakte Natur. Dennoch stehen die Chancen für das Projekt gut, denn die EnBW hat offenbar dazugelernt.

Es gibt sie noch, die unberührte Natur, und dazu gehören die Höhenzüge rund um die Hornisgrinde. Hier brütet das Auerhuhn, der Sperlingskauz geht auf Mäusejagd, und das Klopfen des Dreizehenspechts hallt durch den Tann. "Der Nordschwarzwald birgt nicht nur das Tafelsilber, sondern die Kronjuwelen unserer Natur", sagt André Baumann, Landeschef des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu).

Mitten hinein in diese Schatzkammer will der Energiekonzern EnBW ein Pumpspeicherkraftwerk bauen. Zwar hat der Vorstand über die Investition von 250 Millionen Euro noch nicht entschieden, doch die Pläne sind bereits konkret. Eine erste Studie fiel positiv aus, das Projekt wurde auch schon öffentlich präsentiert, kurz: Die Konzerntochter EnBW Kraftwerke AG begibt sich auf den langen Genehmigungsparcours.

Im Grunde geht es darum, das Energiepotenzial der wasserreichen Täler südlich der Gemeinde Forbach besser zu nutzen. Dort staut die EnBW bereits jetzt in der Schwarzenbachtalsperre 14 Millionen Kubikmeter Wasser und erzeugt damit bei hoher Energienachfrage Strom. Durch Stollen wird das Wasser über Turbinen in das Ausgleichsbecken bei Forbach im Murgtal geleitet - und bei Stromüberschuss teilweise wieder hoch in das Staubecken gepumpt.

Nabu: "Geplante Eingriffe in die Natur sind gravierend"

Dieses Pufferprinzip will der Konzern nun ausbauen, indem er oberhalb der Schwarzenbachtalsperre einen neuen Stausee anlegt. Zudem könnte neben dem Forbacher Ausgleichsbecken ein unterirdischer Wasserspeicher entstehen, so dass eine Kaskade von zwei Pumpspeicherkraftwerken zur Verfügung steht: Damit könnte man die Wasserkraft je nach Bedarf speichern oder innerhalb von Sekunden abrufen.

Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Leistungsschwankungen im Stromnetz mit dem zunehmenden Einsatz von Wind- und Sonnenenergie wachsen. Das Vorhaben dient also der Energiewende und wäre umweltpolitisch über jeden Zweifel erhaben - gäbe es da nicht den ökologische Pferdefuß.

"Es gibt einen Zielkonflikt, denn die geplanten Eingriffe in die Natur sind gravierend", sagt Nabu-Chef Baumann. Das gilt seiner Ansicht nach für alle drei diskutierten Varianten des oberen Beckens - den Nägeliskopf, den Seekopf und die Streitmannsköpfe: "An allen drei Standorten brüten Auerhühner, und alle drei lägen mitten im Kerngebiet eines möglichen Nationalparks Nordschwarzwald."

Lediglich das neue Becken im Tal hätte keine schädlichen Auswirkungen auf die Natur - sofern die EnBW tatsächlich die teure Variante einer unterirdischen Kaverne verwirklicht und nicht etwa die Murg oberhalb von Forbach aufstaut. Unter dem Strich zahlt also in jedem Fall die Natur für die Leistungssteigerung der Anlage von derzeit 70 auf 270 Megawatt.

EnBW will Kritiker einbinden

Doch gibt es eine energiepolitische Alternative? Ohne Pumpspeicherkraftwerke und ihre Akku-Funktion stößt die weitere Nutzung von regenerativen Energiequellen an Grenzen, da sind sich alle Parteien einschließlich der Grünen einig. Doch häufig konterkarieren die Kommunalpolitiker vor Ort, was ihre Kollegen auf Bundes- und Landesebene für richtig halten. Bestes Beispiel dafür ist das im Südschwarzwald bei Atdorf geplante Pumpspeicherkraftwerk der 37-prozentigen EnBW-Tochter Schluchseewerke AG. Die örtlichen Grünen, aber auch die Sozialdemokraten sowie mehrere Umweltverbände einschließlich des Schwarzwaldvereins lehnen das Projekt ab.

Im Wesentlichen führen sie Landschafts- und Naturschutzgründe dafür ins Feld - ein Konflikt, der auch den Landtags-Grünen zu schaffen macht. Denn die Konkurrenz weist genüsslich auf diesen Widerspruch hin und wirft der Partei eine Politik nach dem Sankt-Florians-Prinzip vor. Wiederholt sich das Ganze also nun 100 Kilometer weiter nördlich? Bisher sieht es nicht danach aus. Denn im Unterschied zum Südschwarzwald, wo die Schluchseewerk AG nach allgemeiner Ansicht die Kritiker viel zu spät eingebunden hat, geht die EnBW in Forbach behutsamer vor. "Uns ist bewusst, dass das einen großer Eingriff in die Natur bedeutet", sagt Angela Brötel von der EnBW Kraftwerke AG. Umfangreiche Ausgleichmaßnahmen seien deshalb selbstverständlich - bis hin zur Überlegung, eine Stiftung zu gründen, die diese Maßnahmen nachhaltig finanziert.

Vor allem aber will das Unternehmen die Kritiker frühzeitig einbinden. "Die EnBW hat uns das Projekt schon präsentiert", sagt Jochen Detscher, Sprecher des Grünen-Ortsverbands Murgtal. Es gebe dort zwar noch kein abgeschlossenes Meinungsbild, aber viele stünden dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber.

Das gilt erst recht für Forbach, dessen Gemeinderat das Vorhaben einstimmig begrüßt, allerdings auch Ausgleichmaßnahmen fordert. Selbst Nabu-Chef Baumann erklärt sich bereit, den Spagat zu wagen, falls die EnBW frühzeitig alle kritischen Einwände aufnimmt. Wenn nicht, so prophezeit er, werde die EnBW dieselben Probleme bekommen wie die Bahn bei Stuttgart 21.