In großer Höhe verwandeln sich die Flugzeugabgase in Kondensstreifen. Foto: dpa

In Reiseflughöhe produzieren Triebwerke weniger Ruß, wenn sie Treibstoff aus Pflanzen verbrennen. Das könnte die Umweltbilanz des Flugverkehrs verbessern.

Stuttgart - Am blauen Himmel fallen sie besonders stark auf, die Kondensstreifen. Noch gehören die manchmal extrem lang gestreckten weißen Wolken zum Alltag, im Jahr 2050 könnten sie viel seltener und dünner werden. Denn die Fluggesellschaften wollen bis dahin die Vorgabe ihres Dachverbandes IATA umsetzen und den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid im Vergleich zum Jahr 2005 halbieren. Das klappt aus heutiger Sicht aber nur, wenn das derzeit weitestgehend aus Erdöl gewonnene Flugzeug-Kerosin zu einem großen Teil durch Bio-Kerosin aus Pflanzen ersetzt wird.

Verbrennen Flugzeugtriebwerke dieses Bio-Kerosin, produzieren sie erheblich weniger Ruß. Das berichten nun 27 Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Oberpfaffenhofen, von der US-Raumfahrtbehörde Nasa und von der kanadischen Forschungsorganisation NRC in der Zeitschrift „Nature“. Dieser Ruß aber ist eine Art Keimzelle für Kondensstreifen. Weniger Ruß und damit weniger Kondensstreifen aber sind eine gute Nachricht, weil die weißen Wolken das Klima wohl zusätzlich anheizen.

Bio-Kerosin bremst demnach den Klimawandel vermutlich gleich doppelt. Fließt es statt des üblichen Sprits aus Erdöl in die Triebwerke, werden zwar in beiden Fällen ähnliche Mengen Kohlendioxid frei. Allerdings wird dann das Klima viel weniger belastet, weil die zu Bio-Kerosin verarbeiteten Pflanzen beim Wachsen ähnliche Mengen an Kohlendioxid aus der Luft geholt haben und so die beim Flug entstandenen Mengen des Treibhausgases wieder kompensiert werden.

Eiskristalle aus Wasserdampf

Noch stärker als das aus dem Kerosin stammende Kohlendioxid scheinen allerdings die Kondensstreifen das Klima aufzuheizen. Sie entstehen aus dem Wasserdampf, der beim Verbrennen des Flugzeugsprits im Triebwerk zusammen mit Kohlendioxid entsteht. Fliegt ein Jet in der üblichen Höhe von zehn bis zwölf Kilometern, ist die Luft dort mit Temperaturen unter minus 40 Grad Celsius im Prinzip kalt genug, um aus diesem Wasserdampf Eiskristalle entstehen zu lassen.

Allerdings funktioniert das meist nur dann, wenn in der Luft winzige Teilchen schweben, an denen sich der Dampf ähnlich wie Raureif an dünnen Ästen niederschlagen kann. Genau solche Schwebeteilchen – Aerosole genannt – liefert das Triebwerk in Form von Rußpartikeln aber gleich mit. So bildet sich ein paar Meter dahinter prompt ein Kondensstreifen.

Die winzigen Eiskristalle in solchen von Jets erzeugten Wolken reflektieren einen Teil der einfallenden Sonnenenergie in den Weltraum zurück. Wie bei jeder natürlich entstandenen Wolke auch kühlen dadurch die Temperaturen im Schatten darunter ab. Gleichzeitig halten die Eiskristalle aber die Wärmestrahlung zurück, die vom Erdboden und aus tieferen Luftschichten aufsteigt. Die Wolken funktionieren also ähnlich wie ein Gewächshaus, dessen Scheiben die Wärme ebenfalls im Inneren halten. Diesen Effekt spüren wir am Erdboden besonders dann, wenn Wolken in der Nacht den Himmel bedecken und dadurch die Luft viel weniger stark als unter einem klaren Sternenfirmament abkühlt.

Kondensstreifen und Klimawandel

Dieser Treibhauseffekt ist meist deutlich stärker als der Rückstrahleffekt – und so heizen die Kondensstreifen das Klima weiter auf. Da zum Beispiel über Europa nach einer Studie des DLR zeitweise ein Zehntel des Himmels von dünnen, schwer messbaren Kondensstreifen bedeckt ist, scheint deren Wirkung auf das Klima den Treibhauseffekt durch das ausgestoßene Kohlendioxid noch zu übertreffen.

Käme aus den Flugzeugtriebwerken also weniger Ruß, wäre für das Klima schon einiges gewonnen. Genau das aber tun die Flugzeugtreibstoffe aus Pflanzenmaterial, an denen Patrick Le Clercq und Manfred Aigner vom DLR-Institut für Verbrennungstechnik in Stuttgart forschen. Nur analysieren die DLR-Forscher die entsprechenden Verbrennungsprozesse am Boden, während die Jets in Höhen von zehn bis zwölf Kilometern bei eisigen Temperaturen in sehr dünner Luft unterwegs sind.

Dort oben funktionieren die Triebwerke mit Bio-Kerosin hervorragend. Das hat bereits 2011 ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug gezeigt: Ein Airbus A321 der Deutschen Lufthansa verbrannte im Linienverkehr ein halbes Jahr lang in einem seiner beiden Triebwerke 50 Prozent Bio-Kerosin. Reiner Biotreibstoff hat bisher noch keine Zulassung. Wie viel Ruß die mit einer BioKerosin-Mischung betriebenen Flugzeuge aber in der üblichen Reiseflughöhe tatsächlich ausstoßen, wusste bisher niemand.

Versuche mit Forschungsflugzeugen

Um das zu klären, startete das Team aus amerikanischen, deutschen und kanadischen Forschern im Armstrong Flight Research Center der Nasa im kalifornischen Palmdale im Mai 2014 aufwendige Flugversuche. Ein betagtes Douglas DC-8-Passagierflugzeug dient heute als Forschungsjet der Nasa. Die beiden äußeren der vier Triebwerke wurden mit konventionellem Kerosin betrieben, während für die beiden inneren 50 Prozent HEFA-Treibstoff (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) beigemischt wird, der aus dem Öl der Leindotter-Pflanze – sie gehört zu den Kreuzblütengewächsen – hergestellt wird.

Diesem umgebauten Passagierjet folgen rund 9000 bis 11 000 Meter über dem Meeresspiegel drei Messflugzeuge zum Teil in einer Entfernung von gerade einmal 30 Metern. Das klappt natürlich nur mit der jahrzehntelangen Erfahrung der beiden Piloten Roland Welser und Philip Weber, die das DLR-Falcon-Messflugzeug mitten in den Abgasstrahl der DC-8 hineinsteuern. Die Forscher, die in der Kabine hinter den beiden Flugzeugführern die Messgeräte bedienen, müssen so nah an den vorausfliegenden Jet rankommen, weil sich die Abgase der vier Triebwerke in größerer Entfernung zu mischen beginnen. Um exakte Daten liefern zu können, sollten die hochempfindlichen Sensoren aber nur die Werte von einem Triebwerke erfassen.

Inzwischen haben die Forscher um Richard Moore von der Nasa und Hans Schlager vom DLR ihre Messungen ausgewertet – und sie staunen über den unerwartet großen Vorteil des Bio-Kerosins: Selbst in einer 50-prozentigen Mischung mit herkömmlichem Jettreibstoff produziert ein damit versorgtes Triebwerk 50 bis 70 Prozent weniger Rußpartikel als ein Triebwerk, das Kerosin aus Erdöl verbrennt. Die Umstellung auf Biotreibstoffe für Flugzeuge sollte sich also wirklich doppelt lohnen.

Umweltfreundlicher Treibstoff

Herstellung Bio-Treibstoffe werden bisher vor allem aus Algen, Leindotter und der Jatropha-Pflanze hergestellt, die auch als Purgiernuss bekannt ist. Leindotter und Jatropha wachsen auf sehr kargen Böden und kommen mit wenig Regen aus. Daher nehmen sie genau wie Algen keine Fläche für Nahrungsmittel weg.

Flächenverbrauch Der Bedarf an Anbaufläche für Bio-Kerosin kann riesig sein: Für den Kerosinbedarf seiner mehr als hundert Jets müsste zum Beispiel Air New Zealand zehn Prozent der Fläche Neuseelands mit Jatropha bepflanzen, haben die Manager dieser Airline ausgerechnet. Mit Biosprit aus nur einer Pflanze dürfte das kaum möglich sein. Daher untersucht Air New Zealand verschiedene Biotreibstoffe, die zum Beispiel auch aus Algen hergestellt werden.

Mikroorganismen Farnesan umgeht dieses Problem, weil es von Mikroorganismen in Bioreaktoren aus Zucker hergestellt wird. Zunächst wurde Zuckerrohr als Futter verwendet. Ein Lufthansa-Jet flog erstmalig im September 2014 mit einer zehnprozentigen Beimischung von Farnesan von Frankfurt nach Berlin.

Anwendung Die Lufthansa betankt seit dem 22. Januar 2016 alle Flugzeuge der Gesellschaft auf dem Flughafen Oslo mit einer Bio-Kerosin-Mischung. Damit ist die Lufthansa die erste Fluggesellschaft, die einen regulären Beschaffungsvertrag für Bio-Kerosin unterzeichnet hat.