Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat der Familie des Soldaten Elor Asaria seine Sympathie bekundet und spricht sich für eine Begnadigung aus. Foto: dpa

Die einen feiern ihn als Helden, andere vergleichen seine Tat mit einer Hinrichtung: Der Fall eines israelischen Soldaten, der wegen Totschlags schuldig gesprochen wurde, spaltet die Öffentlichkeit.

Tel Aviv - Ein israelischer Soldat ist wegen Totschlags schuldig gesprochen worden, weil er einen verletzt am Boden liegenden palästinensischen Angreifer mit einem Kopfschuss getötet hatte. Der Soldat Elor Asaria habe nicht in Notwehr gehandelt, befand am Mittwoch ein Militärgericht in Tel Aviv.

Der Fall spaltet die israelische Gesellschaft. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach sich nach dem Schuldspruch für Asarias Begnadigung aus. In der gut zweieinhalbstündigen Verlesung der Urteilsbegründung machte die Vorsitzende Richterin Maya Heller klar, dass von dem schwer verletzten Palästinenser keinerlei Gefahr für Asaria ausgegangen sei. Für die tödlichen Schüsse habe es keine Rechtfertigung gegeben. Asaria habe geschossen, „weil er fand, der Terrorist hat den Tod verdient“, sagte Heller. Die Aussagen des Angeklagten in dem Verfahren kritisierte sie als „ausweichend“. Das Strafmaß wollen die drei Richter zu einem späteren Zeitpunkt verkünden.

Held oder Hinrichter?

Dem 20-jährigen Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft. Totschlag ist nach israelischem Recht eine absichtliche, aber keine geplante Tat. Sie wird daher weniger hart bestraft als vorsätzlicher Mord. Der Vater des erschossenen Palästinensers forderte in Hebron eine lebenslange Haftstrafe für Asaria. Der viel beachtete Fall spaltet die israelische Gesellschaft. In rechten Kreisen wird Asaria wie ein Held gefeiert, während Menschenrechtsorganisationen ihm eine „Hinrichtung“ vorwerfen. Asaria hatte den Gerichtssaal lächelnd in seiner Armeeuniform und in Begleitung von Familienmitgliedern betreten. Unterstützer klatschten ihm zu, ein Mann umarmte ihn. Doch während der Verlesung verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck zusehends. Später wirkten er und seine Eltern geschockt. Seine Mutter rief: „Ihr solltet Euch schämen!“

Vor dem Gericht im Militärhauptquartier von Tel Aviv gab es Zusammenstöße zwischen dutzenden Asaria-Anhängern und der Polizei. Demonstranten hielten ein Schild mit der Aufschrift: „Volk Israels, lass keinen Soldaten auf dem Schlachtfeld zurück!“

Video der Tat löste heftige Kontroversen aus

Zum Zeitpunkt der Tat in Hebron im Süden des israelisch besetzten Westjordanlandes am 24. März 2016 war Asaria 19 Jahre alt. Ein 21-jähriger Palästinenser hatte mit einem Komplizen einen Soldaten mit einem Messer angegriffen und leicht verletzt, wurde dann angeschossen und lag blutend auf der Straße. Sein Komplize war bereits tot. Elf Minuten nach dem Angriff kam Asaria als Militärsanitäter zum Tatort und tötete den wehrlosen Palästinenser ohne ersichtlichen Grund aus der Nähe mit einem Kopfschuss. Dabei wurde er von einem Mitarbeiter der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem gefilmt. Das Video gelangte an die Öffentlichkeit und löste heftige Kontroversen aus.

Umfragen besagen, dass eine Mehrheit der Israelis die Strafverfolgung des Todesschützen angesichts einer Welle von palästinensischen Messerattacken auf israelische Soldaten und Zivilisten ablehnte. Eine Minderheit, vor allem aber die Armeeführung, verteidigte dagegen die ethischen Leitlinien der Streitkräfte und der rechtsstaatlichen Verfassung Israels. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte erklärt, der tödliche Schuss müsse „als mögliches Kriegsverbrechen“ verfolgt werden.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zunächst Asarias Vater angerufen und seine Sympathie bekundet. Später sprach er von einem Verstoß gegen die „Werte“ der israelischen Armee. Am Mittwoch schrieb Netanjahu nach dem Schuldspruch auf seiner Facebook-Seite: „Ich unterstütze eine Begnadigung von Elor Asaria.“ Das Büro von Präsident Reuven Rivlin warnte in einer Erklärung, eine Debatte über eine Begnadigung sei verfrüht. Nur Asaria selbst, sein Anwalt oder seine nächsten Angehörigen könnten darum bitten - und das auch erst nach Abschluss des Prozesses.