Das Heeresmusikkorps Ulm bei einem Auftritt in Stuttgart. Immer wieder kommt vor den Konzerten der Musiker zu Protesten. Foto: Piechowski (Archiv)

Der Kleeblatt-Verein lädt sich zum Geburtstag das Heeresmusikkorps ein – und will mit der Benefizveranstaltung Geld für das Altenheim in Murr sammeln. Das ruft radikale Pazifisten auf den Plan. Jetzt gibt es Ärger.

Murr - Es war das Verdienst – manche werden sagen: die Schuld – von Konrad Adenauer, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufrüsten durfte. Aber der erste Kanzler der Republik war nicht nur ein Freund des Militärs, sondern auch der Kunst. „Vergesst mir die Musike nicht!“ soll er gesagt haben, als in den 1950er Jahren die Gründung der Bundeswehr vorbereitet wurde – was mit ein Grund ist, warum die Streitkräfte eigene Musikkorps bekamen. Heute hat die Luftwaffe mehrere Kapellen, die Marine auch, allein das Heer kommt auf sieben solcher Korps. Zu den ältesten gehört das Heeresmusikkorps in Ulm, gegründet 1956.

„Vom Bodensee bis Franken, vom Breisgau bis zum Bayerischen Wald erfreut der Klangkörper der Donaumetropole seine Zuhörer“, heißt es in der Selbstbeschreibung der Bundeswehr. Man darf also annehmen: Das für den 20. März geplante Konzert in Murr ist für die Soldaten vor allem eines: Routine. Dass es doch kein ganz gewöhnlicher Auftritt wird, dürfte das Korps spätestens bei der Ankunft merken: sobald es vor der Murrer Gemeindehalle auf die radikalen Pazifisten trifft, die dort eine Mahnwache abhalten und gegen die Musiker in Uniform protestieren werden.

Indirekte Werbung für die militärische Aufrüstung?

Organisiert wird die Aktion von der Deutschen Friedensgesellschaft, die nicht nur das Militär, sondern auch die Musikgruppen des Militärs bekämpft. Der Verein kritisiert, dass mit dem „aus Steuergeldern bezahlten Konzert“ versucht werde, die Akzeptanz der Bundeswehr zu erhöhen und indirekt für eine „massive Aufrüstung“ zu werben. So steht es in einem offenen Brief, den die Pazifisten jetzt an den Veranstalter geschickt haben: den Kleeblatt-Förderverein in Murr.

Die gemeinnützige Kleeblatt-Gesellschaft betreibt im Landkreis viele Altenheime, eines in Murr, und der dortige Förderverein feiert gerade sein 20-jähriges Bestehen. Stargast bei der Geburtstagsfeier soll das Musikkorps sein, und weil die Bundeswehr kein Honorar verlangt, läuft das Ganze unter der Bezeichnung Benefizkonzert. Eigentlich eine gute Sache, doch plötzlich findet sich der Vorsitzende des Vereins, der ehemalige Bürgermeister und CDU-Landtagsabgeordnete Manfred Hollenbach, inmitten einer Kontroverse wieder. Wobei er die Aufregung nicht versteht.

Der Verein sammelt Geld fürs Altenheim – und steht jetzt in der Kritik

Denn in Murr haben sie Erfahrung mit Militärmusik. Vor zehn Jahren war das Luftwaffenmusikkorps da, die Halle war voll, und deswegen hofft der Verein jetzt wieder auf 300 bis 400 Zuhörer. 12 bis 15 Euro pro Gast werde man einnehmen, sagt Hollenbach. Da kommt viel Geld zusammen für den Verein, der damit unter anderem ein Sommer- und Weihnachtsfest für die Heimbewohner organisieren will.

Auch das klingt harmlos, aber Wolfram Scheffbuch, der Sprecher des Ludwigsburger Ablegers der Friedensgesellschaft, sieht es anders. Durch das „Konzert werden die Bewohner des Kleeblattheims, die teilweise noch selbst die Schrecken des Kriegs erlebt haben, in moralisch fragwürdiger Weise für die militärische Akzeptanzbeschaffung instrumentalisiert“, warnt er. Zumal dabei „die Sinnlosigkeit der Auslandseinsätze und die damit verbundenen Gräuel, an denen auch die Bundeswehr beteiligt war, ausgeblendet werden“.

Bei den Konzerten der Soldaten kommt es immer wieder zu Protesten

Die Replik von Hollenbach: „Wir leben in einer Demokratie, da darf jeder seine Meinung haben. Ich teile diese nicht.“ Das Korps war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, neu ist die Situation für die Soldaten nicht. Auch als sie 2015 in der Stuttgarter Martin-Luther-Kirche spielten, rief das Pazifisten auf den Plan, die den „Missbrauch von Kirchenräumen zu militärischen Werbezwecken“ kritisierten. Bei einem Adventskonzert 2018 gab es in Stuttgart ebenfalls Protest.

„Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ lautet der komplette Name der 1892 gegründeten Organisation. Ein bekanntes Mitglied war der Schriftsteller Kurt Tucholsky, aktuell engagiert sich die Theologin Margot Käßmann für den radikal-pazifistischen Verein, der die Abschaffung des Militärs anstrebt und auf öffentlichkeitswirksame Aktionen setzt. In Hamburg platziertem Anhänger 2018 einen Sarg mit der Aufschrift: „Probeliegen für zukünftige Bundeswehrsoldat*innen“. Auf Flugblättern riefen sie dazu auf, feierliche Gelöbnisse der Bundeswehr zu stören. Hollenbach will sich von all dem nicht beindrucken lassen. „Es gibt viele Musikfreunde, die diese Kapelle sehen wollen“, sagt er. „Wir sind froh, dass die das Konzert für uns machen.“