Ein Lang-Lkw geht in die Kurve. Foto: Gerster

Baden-Württemberg beteiligt sich nicht am bundesweiten Feldversuch zum Einsatz von Lang-Lkw. So manche Spedition muss daher langwierige Verlademanöver in Kauf nehmen. Daimler will dies ändern.

Stuttgart/Bamberg - Gespenstisch liegt der Nebel an diesem Herbstmorgen über dem Hof der Spedition Elflein am Hafen von Bamberg. Und ein wenig gespenstisch ist auch die Szene, die sich dort abspielt. Ein Lang-Lkw fährt auf den Hof. Er kommt aus Bautzen von einem Zulieferer für den Autobauer Daimler und hat Kunststoffteile wie Motorabdeckungen geladen. Statt einfach den Fahrer zu wechseln, beginnt ein kompliziertes Manöver. Der Fahrer parkt das Gefährt und kuppelt den langen Auflieger ab. Dieser wird nun mit einer Zugmaschine zu einem eigenen Sattelschlepper. Der vordere Teil des Lang-Lkw bekommt derweil einen neuen Anhänger. Rund eine Stunde benötigen die Fahrer, um aus einem langen Lkw zwei kurze zu machen. Diese verlassen die Spedition später in Richtung der Daimler-Werke Sindelfingen und Rastatt.

Rüdiger Elflein, Chef der Spedition mit rund 300 Lkw und 600 Mitarbeitern, schaut sich das Rangieren der Fahrer in Ruhe an und schüttelt mit dem Kopf. „In Bayern und Baden-Württemberg werden die meisten Autos gebaut, da ist es doch unverständlich, dass wir nicht über die Grenze fahren dürfen.“ Weil sich Baden-Württemberg nicht an dem bundesweiten Feldversuch zu den Lang-Lkw beteiligt und keine Ausnahmegenehmigungen erteilt, bleibt Elflein nichts anderes übrig, als die Strecken vom Zulieferer in Bautzen bis zu den Daimler-Werken in Sindelfingen und Rastatt zu teilen und im eignen Hof umzukoppeln. Kollegen in Baden-Württemberg geht es ähnlich. So fährt die Spedition Schwarz mit Sitz in Herbrechtingen derzeit mit zwei Lkw an einen Rastplatz an der A 7, um dort die Fracht in einen Lang-Lkw umzuladen.

Seit 2012 rollen auf bundesdeutschen Straßen Laster in Überlänge. Aktuell sind laut Bundesanstalt für Straßenwesen 39 Unternehmen mit 85 Lkw beteiligt. Die Spedition Elflein hat mit zehn Lastern den Löwenanteil. Sie sind täglich im Einsatz, bald sollen noch weitere hinzukommen. „Die Lkw fahren erfolgreich“, sagt Elflein, der vor allem für die Automobilbranche fährt, aber beispielsweise auch Papier oder Lebensmittel liefert. Drei normale Lkw können dabei durch zwei Langlaster ersetzt werden. Elflein rechnet vor, dass er damit bis zu 22 Prozent weniger Sprit braucht. Da die Ladung nicht schwerer als die üblichen 40 Tonnen sein darf, verteile sich das Gewicht außerdem besser, die Straßen würden weniger belastet. Zudem sind die großen Lkw mit Sicherheitssystemen wie Notbremsassistent ausgestattet. 

In der gesamten Zeit habe es nur vier Verkehrsstörungen gegeben, die aber nichts mit der Länge des Lkw zu tun gehabt hätten, sagt Elflein. Das deckt sich mit den Ergebnissen des Zwischenberichts der Bundesanstalt für Straßenwesen zum Feldversuch, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurden. „Keine Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße, kein erhöhter Aufwand für die Erhaltung von Straßen und Brücken, Kraftstoffersparnisse zwischen 15 und 25 Prozent.“ Und Elflein räumt auch mit dem Gerücht auf, wonach die Bevölkerung sich vor den von Gegnern gerne mal „Monstertrucks“ genannten Fahrzeuge fürchtet. „Wenn nicht ein Schild dran wäre, würde es den Leuten nicht mal auffallen.“

Da sich angesichts des Zwischenberichts die Aufregung offenbar ein wenig gelegt hat, will Daimler auch in Baden-Württemberg nochmals einen Vorstoß starten, um Lang-Lkw für die Belieferung der Werke einsetzen zu dürfen. In dieser Woche hat der Autobauer nach Informationen unserer Zeitung die Zulassung auf 17 Strecken beantragt. Darunter sind Routen von Zulieferern in die Werke Sindelfingen, Düsseldorf, Rastatt, Ludwigsfelde und Wörth, die zumindest teilweise auch durch Baden-Württemberg führen. „Unsere Spediteure verstehen immer weniger, warum sie unsere Werke in Baden-Württemberg nicht mit ihren Lang-Lkw beliefern dürfen“, sagt Daimler-Lkw-Chef Wolfgang Bernhard. „Deshalb haben wir jetzt Sondergenehmigungen für konkrete Strecken beantragt, speziell solche, die nicht mit der Bahn bedient werden können.“

Auch der Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) drängt auf eine Zulassung. „Wir betonen bei jeder Begegnung mit Regierungsvertretern, dass wir die Lang-Lkw brauchen“, sagt VSL-Chef Andrea Marongiu. 20 Firmen hätten Interesse, sie wollten mit 40 Lkw am Feldversuch teilnehmen. Ohnehin seien nur fünf Prozent der gesamten Lkw-Verkehre geeignet für die großen Laster, sagt Marongiu.

Die Chancen für den Einsatz von Lang-Lkw scheinen besser denn je. „Wir sind offen, den Dialog mit der Wirtschaft im Licht der neuen Erkenntnisse wiederaufzunehmen und pragmatische Lösungen zu diskutieren“, sagte ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums unserer Zeitung. Die Ergebnisse des Zwischenberichts hätten „enorm“ zur Versachlichung beigetragen. Als strikter Gegner hat sich in der Vergangenheit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erwiesen. Er fürchtet, dass durch den Einsatz von Lang-Lkw die Straße als Transportweg wieder attraktiver wird und eine Verlagerung auf Schiene und Wasser gebremst werde. „An unserer grundsätzlichen Haltung hat sich nichts geändert“, sagte ein Sprecher. Die Gespräche mit Daimler bestätigte das Ministerium. Über die Anträge werde vermutlich im Laufe der nächsten Woche entschieden.

Rüdiger Elflein wäre froh, er könnte in Zukunft auf die Rangiermanöver in seinem Hof verzichten und mit dem Lang-Lkw auch nach Sindelfingen und Rastatt fahren. Dabei nimmt man dem smarten Speditions-Chef durchaus ab, wenn er sagt, dass es ihm nicht allein um die Kosten für den Transport geht. „Wir benötigen die Effizienz, sonst bricht der Verkehr irgendwann zusammen.“