Schnell und ökologisch – Elektro-Tretroller revolutionieren die Fortbewegung in der Stadt. Foto: dpa

Die Verkehrsminister von Bund und Ländern diskutieren in Saarbrücken über die Zulassung für Elektro-Tretroller im Straßenverkehr. Es gibt bereits reichlich Konfliktstoff, denn die Kritik von Sicherheitsexperten wird immer lauter.

Stuttgart - Kaum hat das Bundeskabinett eine Verordnung zur Zulassung von Elektrotretrollern im Straßenverkehr beschlossen, regt sich lauter Protest unter Experten. Darüber müssen auch die Verkehrsminister von Bund und Ländern an diesem Freitag in Saarbrücken reden.

Gefährte, die bis zu zwölf Kilometer pro Stunde fahren können, sollen für Jugendliche von zwölf Jahren an erlaubt sein, schnellere Roller bis zu 20 km/h ab dem vollendeten 14. Lebensjahr. „Diese Fahrzeuge können ein Mobilitätsgewinn sein“, sagte Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), unserer Zeitung. Dennoch meldet er Korrekturbedarf an: So hätten in einer alternden Gesellschaft Geräte, die schneller als sechs Kilometer pro Stunde seien, „auf dem Gehweg nichts verloren“. Sie gehörten vielmehr auf die Radwege. Auch eine Helmpflicht hält er für sinnvoll, was intern aber noch umstritten sei.

In jedem Fall dringt der DVR für Roller mit Höchsttempo 20 auf eine Prüfbescheinigung wie bei Mofas. Für Kellner verläuft der politische Entscheidungsprozess zu schnell. „Wenn man es aber schon so macht, muss man sich spätestens nach drei Jahren die Fakten anschauen und die Verordnung gegebenenfalls ändern“, fordert er eine Evaluierung als „wesentlichen Baustein“. Zudem müsste für die E-Roller, wie schon bei den Pedelecs, eine eigene Kategorie in der Unfallstatistik eingerichtet werden.

„E-Tretroller gehören nicht auf die Straße“

„Wir sehen da neue Konfliktzonen“, warnt der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Dass es eine Regelung geben müsse, sei klar. Die E-Scooter seien „kein Spielzeug“. Doch müssten ihre Nutzer zur Unfallvermeidung von den Fußgängern getrennt werden, auch wenn sich Radfahrer auf ihren engen Spuren darüber nicht freuen dürften. Ebenso gehörten die E-Tretroller wegen der Tempodifferenzen zum Auto nicht auf die Straße. Auch Malchow rügt die mangelnde Helmpflicht, wenngleich es diese für Radler auch nicht gebe. „Die wird kommen, wenn wir die ersten schweren Unfälle haben“, prophezeit er. Darüber hinaus hätte die Polizei „nicht unbedingt die Kapazitäten, zusätzlich die E-Roller-Nutzer zu kontrollieren“. Zwölfjährige seien ohnehin nicht strafmündig – Ordnungswidrigkeiten ließen sich somit erst ab dem 14. Lebensjahr durchsetzen.

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, ist prinzipiell für die Zulassung der E-Scooter, hält die Verordnung aber für fahrlässig: „Etwas, was 20 km/h fährt, gehört nicht auf die Straße – da muss die Infrastruktur ausgebaut werden.“ Auch auf dem Gehweg sieht er eine Verletzungsgefahr. Wenn ein zwölfjähriges Kind mit zwölf km/h einen älteren Menschen anfahre, könne es bei diesem zu schwerwiegenden Verletzungen kommen. „Der Fußgängerbereich muss ein geschützter Bereich bleiben“, mahnt Brockmann.

Die Infrastruktur reicht noch nicht aus

Robert Newart, Geschäftsführer der Landesverkehrswacht Baden-Württemberg, stimmt zu. Bei der Radfahrprüfung, die viele Kinder in der vierten Klasse ablegen, seien 2017 gut 13 Prozent durchgefallen. Kinder ohne Kenntnisse der Verkehrsordnung hätten auf dem Gehweg mit Tempo zwölf nichts zu suchen. Es sei auch eine Illusion zu glauben, dass sie dort bleiben würden. Und 14-Jährige dürften mit 20 km/h nicht ungeschützt auf die Straße. Riskant und verfrüht sei die Verordnung. „Wir haben die Infrastruktur noch nicht“, betont Newart.

Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Saarlands Ressortchefin Anke Rehlinger (SPD), setzte sich zum Auftakt des Treffens für die Zulassung der E-Scooter ein. „Ich bin sehr dafür, die Chancen, die darin stecken, für uns als Standort Deutschland, aber auch als Beitrag zum Klimaschutz zu nutzen.“ Dabei dürfe man sich nicht von Bürokratie abschrecken lassen, sondern müsse „mutig voranschreiten“.

Minister Hermann sieht Versicherungspflicht als Hindernis

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) lobte gegenüber unserer Zeitung: „Wir begrüßen es, dass der Bund diese neue Form der Mobilität zur Kenntnis nimmt.“ Allerdings sei die geplante Versicherungspflicht „ein bürokratisches Hindernis, das wir ablehnen“. Zu den Sicherheitsrisiken sagte er: „Wichtig ist, dass sich alle Verkehrsteilnehmer umsichtig und rücksichtsvoll verhalten.“ Klar sei aber: „Die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer muss deutlich ausgebaut werden.“

Andere Grünen tun sich schwerer mit der Verordnung. Der Filderstädter Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel ist Mitglied im Verkehrsausschuss und moniert seinerseits, dass ein Teil der E-Scooter auf den Gehwegen fahren dürfe: „Hier sind Konflikte mit Fußgängern sowie Unfälle programmiert.“ Und die Radwege seien nicht breit genug für zusätzliche E-Scooter. So müssten Verkehrsräume zugunsten eines sicheren Fuß- und Radverkehrs und der neuen Mobilitätsform mit E-Kleinstfahrzeugen vielerorts gerechter aufgeteilt werden. Dann könnten sie die Mobilität im Nahbereich revolutionieren.

Dass die Verordnung in aktueller Fassung „praxisfern“ ist, glaubt die verkehrspolitische Sprecherin der Linken, Ingrid Remmers. E-Roller sollten grundsätzlich auf dem Radweg fahren. Da dieser oft zu schmal und in einem desolaten Zustand sei, geht sie von einer steigenden Unfallgefahr aus. Viele Städte folgten noch dem Leitbild der autogerechten Stadt. „E-Roller könnten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten – die Pläne von Verkehrsminister Scheuer bringen dagegen neue Probleme in den Alltag der Menschen.“