Der Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Foto: dpa

Die Billiggeld-Strategie der Notenbank ist vor allem in Deutschland heftig umstritten. Ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofs wertet die billionenschweren Anleihekäufe der Notenbank aber als rechtens. Schon einmal hat das Bundesverfassungsgericht nach entsprechenden Vorgaben aus Luxemburg Klagen gegen die EZB abgewiesen.

Frankfurt - Im Streit über die billionenschweren Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommt die Notenbank juristische Unterstützung: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg wertete den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB am Donnerstag als rechtmäßig. Das Kaufprogramm verstoße nicht gegen das Verbot einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse, erklärte der aus Belgien stammende Generalanwalt Melchior Wathelet in einem Gutachten für den EuGH. Es ist für den Gerichtshof nicht bindend, in vielen Fällen folgen die Richter aber der Empfehlung des Generalanwalts. Ihr Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.

Das Verfahren geht auf Klagen deutscher Unternehmer und Ökonomen, darunter die ehemaligen AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel, vor dem Bundesverfassungsgericht zurück. Karlsruhe übte vor einem Jahr scharfe Kritik an den Anleihekäufen, bat zur Frage ihrer Vereinbarkeit mit europäischem Recht aber den EuGH um Auslegungshilfe.

Notenbank steckte 2,5 Billionen Euro in ihr Kaufprogramm

Die EZB hat Banken und anderen Investoren seit März 2015 Wertpapiere im Volumen von rund 2,5 Billionen Euro abgekauft, um das Zinsniveau zu drücken. Sie begründete das Programm mit der Absicht, die damals niedrige Inflationsrate in die Höhe zu treiben und einer Deflation vorzubeugen. Der Löwenanteil der Ausgaben, gut zwei Billionen Euro, floss in Anleihen der Euro-Staaten. Die deutschen Kläger betrachten dies als Versuch der Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Auch das Bundesverfassungsgericht sah „gewichtige Gründe“ für diese Annahme. Zwar kaufe die EZB die Anleihen nicht direkt bei den Finanzministerien oder Schuldenagenturen der Euro-Staaten. Investoren, die den Regierungen Geld liehen, hätten aber „die faktische Gewissheit“, die Schuldtitel im Zweifel an die EZB loszuwerden, schrieb das höchste deutsche Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Generalanwalt Wathelet hält dem entgegen, dass die EZB sich beim Erwerb von Staatsanleihen Grenzen gesetzt habe: So kaufe die Notenbank höchstens ein Drittel der bei einer einzelnen Auktion verkauften Papiere und habe sich überdies verpflichtet, über die gesamte Laufzeit des Programms maximal ein Drittel aller Staatsanleihen eines einzelnen Landes zu erwerben. Zudem kaufe die Notenbank keineswegs nur Schuldtitel von klammen Staaten, sondern von allen Ländern der Eurozone. Ein früheres, allein für Länder unter dem Euro-Rettungsschirm aufgelegtes Kaufprogramm hatte der EuGH ebenfalls für rechtens erklärt. Das Bundesverfassungsgericht wies deshalb letztlich die Beschwerden gegen das sogenannte OMT-Programm ab.

Das neue Gutachten kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die Anleihekäufe ihrem Ende nähern. Die EZB will sie zum Jahresende einstellen, da die Inflationsrate im Euroraum seit Mai bei rund zwei Prozent liegt. In Deutschland erreichte sie im September laut einer vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamts sogar 2,3 Prozent.

Gauweiler warnt vor Haftungsrisiken

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler betonte, das Kaufprogramm berge weiter erhebliche Risiken für Deutschland, weil bei einem Zahlungsausfall einzelner Euroländer deren Staatsanleihen ihren Wert verlieren und die Bundesbank für etwaige Verluste mithaften müsste. Zwar sollen Verluste mit Schuldtiteln eines einzelnen Landes hauptsächlich von der nationalen Notenbank getragen werden. Für einen Teil der im Rahmen des Kaufprogramms erworbenen Wertpapiere haften aber alle Notenbanken des Eurosystems gemeinsam, im Krisenfall müsste die Bundesbank als größter Anteilseigner der EZB gut ein Viertel der Verluste auf sich nehmen.

„Der Generalanwalt hat die Frage des Bundesverfassungsgerichts, ob die Haftungsvergemeinschaftung mit dem EU-Recht vereinbar ist, nicht beantwortet“, kritisierte Gauweiler. Wenn der EuGH auch in seinem Urteil eine Antwort auf diese Frage schuldig bleibe, müsse „das Bundesverfassungsgericht ohne Vorgabe des Luxemburger Gerichts entscheiden, ob die immensen Haushaltsrisiken, die das Anleihenankaufprogramm für den Bundeshaushalt mit sich bringt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Aus unserer Sicht lautet die Antwort: Nein, sie sind es nicht.“