Die Grundsteuer fällt in Deutschland unterschiedlich aus. In Berlin und Freiburg sind die Sätze überdurchschnittlich hoch. Foto: dpa

Die Bundesländer planen eine Reform der Grundsteuer. Wer künftig mehr zahlen soll, wollen sie nicht sagen. Die Kommunen befürchten, dass das Bundesverfassungsgericht die alten Werte für ungültig erklärt.

Berlin - Es ist eine Reform mit Unbekannten. Weil 35 Millionen Grundstücke in Deutschland in den nächsten Jahren neu bewertet sollen, steht die Finanzverwaltung vor einer Mammutaufgabe. Die Neuordnung ist ohnehin schon schwierig genug, da wollen die Finanzminister und Kämmerer Protesten von Betroffenen und Verbänden möglichst keine Nahrung geben. Um für die Reform eine Mehrheit zu erhalten, versichern Länder und Kommunen gebetsmühlenhaft, dass sie nicht an mehr Einnahmen denken. „Es geht nicht darum, mehr Steuern zu erheben“, sagt der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) in Berlin. Mit der Reform soll erreicht werden, dass das jährliche Aufkommen von 13 Milliarden Euro für die Städte und Gemeinden erhalten bleibt. Welche Immobilienbesitzer künftig mit höheren Belastungen rechnen müssen und wer weniger zahlt, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden, sagen die Länder. Das stehe erst nach Jahren fest, wenn die Neubewertung vorangeschritten sei. Zum Stichtag 1. Januar 2022 soll die neue Taxierung aller Grundstücke erfolgen. Eines lässt sich absehen: Die Grundsteuer könnte in den Fällen steigen, in denen die Grundstücke in den vergangenen Jahrzehnten erheblich an Wert gewonnen haben.

Jeder Bürger ist betroffen

Weil die Grundsteuer jeden Bürger betrifft, fällt der Politik die Gesetzesänderung nicht leicht. Seit Jahrzehnten wird über eine Reform verhandelt, immer wieder sind Vorschläge geprüft und verworfen worden. Jetzt kann die Politik nicht mehr länger zaudern. Weil der Bundesfinanzhof mehrere Klagen gegen die Grundsteuer dem Verfassungsgericht vorgelegt hat, müssen die Kämmerer um Einnahmen bangen. Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten kommunalen Steuern. Sie wird zwar von Immobilienbesitzern erhoben, doch die Eigentümer legen die Steuer als Nebenkosten auf die Miete um. Länder und Kommunen befürchten, dass das Verfassungsgericht die Steuer als verfassungswidrig einstufen könnte. Grund sind die völlig antiquierten Werte für die Immobilien, die der Steuerberechnung zugrunde gelegt werden. Die Daten, auf denen die Grundsteuer beruht, stammen im Westen aus dem Jahr 1964 und im Osten von 1935. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten um abzusehen, dass das Verfassungsgericht diese Wertermittlung nicht länger akzeptieren wird. Oberstes Ziel der Reform sei es, eine rechtssichere Bemessungsgrundlage zu schaffen, sagt der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD). Die alten Werte führen aus seiner Sicht zu Ungerechtigkeit: „Die einen zahlen zu viel, die anderen zu wenig“, meint Schneider.

Bayern warnt vor Steuererhöhungen

14 Länder, darunter auch Baden-Württemberg, treten deshalb für eine rasche Reform ein. Sie bringen das Gesetz an diesem Freitag im Bundesrat ein. Bayern und Hamburg sind dagegen. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) will den Bürgern des Freistaats keine Steuererhöhungen zumuten.

Die Befürworter argumentieren dagegen, dass es Länder und Kommunen in der Hand haben, Steuererhöhungen auf breiter Front zu verhindern. Falls nach der Neubewertung, welche die Finanzverwaltung über Jahre hinaus in Anspruch nehmen wird, herauskommt, dass in einer Kommune die Grundsteuer stark steigt, sollen Steuermesszahl und Hebesätze gesenkt werden – das sind weitere Variablen, von denen die Grundsteuer abhängt. In Deutschland ist die Belastung unterschiedlich hoch: Städte wie Berlin und nordrhein-westfälische Kommunen liegen an der Spitze, auch Freiburg hat beispielsweise einen überdurchschnittlich hohen Hebesatz.

Tübingens OB Palmer fordert Bodensteuer

Mit dem Inkrafttreten der Reform sollen unbebaute Grundstücke nach dem Bodenrichtwert bemessen werden, der sich aus den durchschnittlichen Verkaufspreisen in der Vergangenheit ermittelt. Bei bebauten Grundstücken werden zusätzlich noch die pauschalen Herstellungskosten ermittelt, wobei der Wert je nach Alter des Gebäudes gemindert wird. Die kommunalen Spitzenverbände sind für die Reform. Doch gegen diese Bewertung läuft ein Bündnis aus Naturschutzverbänden, Bürgermeistern und dem Mieterbund Sturm. Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (Grüne), sagte, nach dem Länderkonzept bleibe die Grundsteuer im Wesentlichen eine Gebäudesteuer. Er fordert dagegen eine reine Bodensteuer. Damit soll es unattraktiv werden, unbebaute Grundstücke liegenzulassen. Die baden-württembergische Finanzstaatssekretärin Gisela Splett verteidigte das Vorgehen: „Ich bin froh, dass sich nach vielen Jahren der Diskussion endlich eine sehr große Mehrheit der Länder für eine Lösung gefunden hat.“