Vorbereitungen für einen WLTP-Test bei VW in Wolfsburg. Der schärfere Abgastest führt zu höheren Steuereinnahmen. Foto: dpa

Der ADAC kritisiert eine Steuererhöhung bei Neuzulassungen um bis zu 70 Prozent durch die Umstellung auf eine schärfere Fahrzeugprüfung. Beim neuen Testverfahren sind die Anforderungen deutlich näher an der Realität.

Stuttgart - Wer ab September einen Neuwagen kauft, muss sich auf höhere Abgaben einstellen. Denn vom nächsten Monat an dürfen grundsätzlich nur noch Autos neu zugelassen werden, die den schärferen Abgas-Prüfzyklus WLTP absolviert haben. Zugleich wird die Berechnung der Kraftfahrzeugsteuer umgestellt. Künftig fließt der neue Prüfzyklus in die Berechnung der Steuer ein.

Im Vergleich mit dem bisherigen Testverfahren NEFZ, das seit Anfang der neunziger Jahre galt, sind die neuen Anforderungen deutlich näher an der Realität. Zwar finden die Messungen wie bisher auf dem Prüfstand und nicht auf der Straße statt. Doch ist die gefahrene Geschwindigkeit deutlich höher. Zudem wird mehr beschleunigt und gebremst. Zudem wird nicht nur ein Standardmodell geprüft, sondern alle erhältlichen Motor-Getriebe-Kombinationen sowie auch Sonderausstattungen. All dies führt dazu, dass der Verbrauch sowie die CO2-Emissionen bei den meisten Modellen deutlich steigen und damit auch mehr Geld für die Kraftfahrzeugsteuer abgeführt werden muss.

Schon seit Juli 2009 wird bei der Erstzulassung neuer Pkw zur Berechnung der Kraftfahrzeugsteuer neben dem Motor-Hubraum auch der CO2-Wert herangezogen, der sich aus dem Spritverbrauch ergibt.

Technisch gleiche Wagen werden vom Fiskus ungleich behandelt

Die Situation sei kurios, urteilt der ADAC. Obwohl Modelle technisch absolut identisch seien und nur neu gemessen werde, zahle ein Autobesitzer nach dem 1. September bis zu 70 Prozent mehr Kraftfahrzeugsteuer als ein Fahrzeughalter, der seinen Wagen zuvor zugelassen habe. Diese hohen Zuschläge ergeben sich nach den Berechnungen des Automobilklubs für bestimmte Varianten des Kleinwagens VW Up sowie für die Mittelklasselimousine Peugeot 508. Für den VW Up steigt die Steuer demnach von 50 auf 86 Euro, für den Peugeot 508 werden 160 statt 92 Euro fällig. Der ADAC hat ein gutes Dutzend Autos, für die bereits die neuen WLTP-Werte verfügbar waren, unter die Lupe genommen. Für viele Modelle gibt es noch keine genauen Angaben, weil Hersteller bei der Umstellung auf den neuen Prüfzyklus hinterherhinken. Bei der Mehrzahl der vom ADAC untersuchten Modelle steigt die Steuer um 20 bis 30 Prozent.

Der große Gewinner ist der Finanzminister

„Der große Gewinner bei der WLTP-Umstellung wird der Bundesfinanzminister“, urteilt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Forschungsinstituts CAR an der Universität Duisburg-Essen. Dudenhöffer hat eine Modellrechnung gemacht, wonach der Fiskus im kommenden Jahr mit zusätzlichen Einnahmen bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von rund 173 Millionen Euro rechnen kann.

Über einen Zeitraum von 15 Jahren, wenn der gesamte deutsche Pkw-Bestand im wesentlichen auf die neue Berechnung umgestellt sein dürfte, könnte der Staat laut Dudenhöffer knapp 2,5 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Derzeit bringt die Kraftfahrzeugsteuer jährlich insgesamt rund neun Milliarden Euro.

„Die Anpassung der Kraftfahrzeugsteuer an das neue Messverfahren ist im Grundsatz sinnvoll, weil es näher an den realen CO2-Emissionen liegt und damit Anreize zur Anschaffung verbrauchsärmerer Pkw setzt,“ sagt Ulrich Klaus Becker, der ADAC-Vizepräsident für Verkehr. Der ADAC kritisiert jedoch den mit der Umstellung verbundenen spürbaren Anstieg der Steuer. „Das ist nicht gerechtfertigt, weil der Mehrbelastung in der Realität keine höheren CO2-Emissionen gegenüberstehen“, sagt Becker. Der ADAC fordert, diese höhere Belastung zu verhindern. „Grundsätzlich wäre eine Anpassung des Steuersatzes oder der Steuerbemessungsgrundlage denkbar“, sagt Becker.

Das Finanzministerium lehnt eine Änderung ab

Auch der Bund der Steuerzahler kritisiert den stärkeren Zugriff des Fiskus. „Die Politik hätte auf die neuen technischen Anforderungen reagieren und das Kfz-Steuergesetz entsprechend ändern müssen. Nun müssen die Autofahrer tiefer in die Tasche greifen. Das ist eine Steuererhöhung durch die Hintertür“, kritisiert Zenon Bilaniuk, der baden-württembergische Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler.

Das Bundesfinanzministerium lehnt Tarifänderungen ab. „Verlässliche Aussagen über die konkreten Wirkungen auf die Kraftfahrzeugsteuer sind noch nicht möglich“, heißt es in Berlin. Die breite Kritik hat jedoch zumindest dazu geführt, dass das Finanzministerium nach zwölf Monaten die Auswirkungen der Umstellungen prüfen und den Finanzausschuss des Bundestags über das Ergebnis unterrichten muss.