Nur wenige Meter neben dem Langwieser See entsteht auf den Plieninger Feldern ein Paradies für Teichfrösche. Foto: J. Bosch

Wegen der Bauarbeiten für die Neubaustrecke von Stuttgart 21 wird eine Froschpopulation umgesiedelt. Der Teich entsteht nur wenige Meter entfernt vom Langwieser See. Der Grund, warum die Frösche nicht zu ihren Artgenossen in den Langwieser See ziehen können, ist skurril.

Plieningen - Erst kommen die Eidechsen, dann die Frösche: Im Frühjahr 2017 sollen rund 15 Zauneidechsen an einem dreieckigen Zipfel Land an der Ecke der Echterdinger Straße zur Landesstraße 1192 ihr neues Zuhause finden. Noch leben sie im Bereich Frauenbrunnen, einem Gebiet auf der Gemarkung Plieningen, inmitten von Feldern und Wald. Der Grund ihres Umzugs ist Stuttgart 21. Um die streng geschützten Tiere vor den Bauarbeiten für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm zu schützen, muss die Bahn sie umsiedeln.

Und sie werden tierische Nachbarn bekommen: die ebenfalls besonders geschützten Teichfrösche. Auch die leben in einem Bereich, dem Stuttgart 21 in die Quere kommt, dem Regenrückhaltebecken am Frauenbrunnenbach. „Die Frösche werden in einem neu gegrabenen Teich ihr künftiges Zuhause finden“, sagt ein Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm. An diesem Teich wird bereits gebaut: Spaziergänger, die von Plieningen aus Richtung Langwieser See laufen, dürften die mit Wasser vollgelaufene Baugrube bereits entdeckt haben. Denn der Teich entsteht auf einer Wiese, nur wenige Meter vom Langwieser See entfernt.

Mit den Fröschen im Langwieser See „verstehen“ sich die anderen Frösche nicht

Warum für die Frösche ein neuer Teich geschaffen werden muss und sie nicht zu ihren Artgenossen in den Langwieser See ziehen, weiß der Plieninger Landwirt und Ortsobmann Michael Gehrung: „Die Frösche stammen ursprünglich aus dem Langwieser See. Da sie sich mit den anderen Fröschen dort aber nicht ganz grün waren, wanderten sie zum Regenrückhaltebecken am Frauenbrunnenbach.“ Die Wahrscheinlichkeit ist also gering, dass sie sich jetzt im Langwieser See heimisch fühlen könnten.

Obwohl die Tiere erst im Frühjahr 2018 in den Teich ziehen sollen, hat die Bahn schon vor wenigen Wochen mit den Bauarbeiten begonnen. Das liegt daran, dass die Frösche nicht ein schwimmbadartiges Wasserbecken vorfinden sollen, sondern einen natürlichen Lebensraum.

Derzeit liegt neben dem ausgegrabenen Teich noch der Aushub, ein länglicher, etwa zwei Meter hoher Erdhügel. Doch bis in gut einem Jahr soll dort alles begrünt sein, sodass zumindest theoretisch die Voraussetzungen für ein Froschparadies gegeben sind. Denn auch nach den Bauarbeiten von Stuttgart 21 sollen die Frösche in dem Teich bleiben.

Wie viele Frösche umgesiedelt werden, weiß die Bahn nicht

Wie viele Frösche umgesiedelt werden, kann keiner so genau sagen. Der Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm weiß nur, dass es sich um eine Population handelt. Dieses fehlende Wissen kritisiert der Fachbeauftragte vom Naturschutzbund (Nabu) Hubert Laufer: „Die Bahn sollte schon wissen, wie viele Frösche umgesiedelt werden müssen, schließlich müssen sie die Größe des Teichs ja entsprechend planen.“ Denn bei einer Froschpopulation könne es sich um zehn, aber auch um bis zu 1000 Frösche handeln.

Generell verliefen Umsiedlungen von Amphibien erfahrungsgemäß oft erfolglos: „Bei Fröschen hat man noch weniger Erfahrung als bei Eidechsen“, sagt Laufer. Aber gleich um welche Tiere es gehe, müsse sich jemand im Vorhinein intensiv mit der Umsiedlung beschäftigen. Es reiche nicht, einen Ort zu finden, wo es genügend Platz und beispielsweise ausreichend Fliegen zum Fressen gebe. „Zauneidechsen brauchen Versteckplätze und sind in der Regel zu langsam, um Fliegen und Bienen überwältigen.“ Stattdessen ernährten sie sich vor allem von Käfern und Larven.

Passt die neue Umgebung nicht, überleben die Tiere das erste Jahr nicht

Auch die Teichfrösche seien zu langsam für die Fliegenjagd, daher sei es nötig, dass in dem neuen Quartier genügend Käfer, Schnecken und Würmer lebten. Doch selbst wenn die entsprechenden Voraussetzungen für die Nahrung gegeben seien, reiche das noch nicht aus. „Das Gewässer muss stimmen und sie brauchen ein Überwinterungsquartier.“ Wenn nur einer dieser Faktoren nicht gegeben sei – Nahrung, Gewässerqualität und Überwinterungsquartier – versuchten die Frösche sich schleunigst ein neues Zuhause zu suchen.

Allerdings müssen sich die Frösche zumindest in der Anfangszeit mit ihrem neuen Quartier arrangieren: „Nach der Umsiedlung wird um die Eidechsen und die Frösche ein Zaun gebaut“, sagt der Bahnsprecher. Der Zaun soll dafür sorgen, dass sich die Tiere an ihr neues Zuhause gewöhnen und nicht abwandern. „Wenn nach einer Umsiedlung die neue Umgebung für die Frösche nicht passt, laichen die Tiere nicht ab und überleben oft auch das erste Jahr nicht“, warnt der Nabu-Beauftragte Hubert Laufer.

Auch die Plieninger Landwirte sehen den Froschteich kritisch. „Dass für die Tiere ein separater Teich gegraben wird, weil sie mit ihren Artgenossen im Langwieser See Händel haben, ist verrückt“, sagt der Ortsobmann Michael Gehrung. Er hat genug von entsprechenden Regelungen der Naturschützer sowie von Großprojekten wie der Messe oder eben Stuttgart 21, durch die immer mehr landwirtschaftliche Flächen verloren gingen. Einzig froh ist er, dass es die Landwirte durchsetzen konnten, dass der Teich nicht auf einer privaten landwirtschaftlichen Fläche entsteht, sondern auf einer Wiese, die der Stadt gehört. „Aber trotzdem: Diese Auflagen der Naturschützer sind übertrieben.“