Braunkohlemeiler: Steuertricks mit Strom könnten den Staat um Milliarden gebracht haben Foto: dpa

Bis zu 15 Milliarden Euro kostet den Staat Umsatzsteuerbetrug jährlich, sagen Experten.

Bonn/Karlsruhe - Umsatzsteuerbetrügereien kosten den Staat jährlich Milliardenbeträge. Seit Jahren fiel der Verdacht dabei auch immer wieder auf die Energiebranche. Die Anzeichen, dass hier getrickst wird, verdichten sich nun.

Nach Daten des Münchner Ifo-Instituts entgehen dem deutschen Fiskus jedes Jahr 14 bis 15 Milliarden Euro durch Umsatzsteuer-Tricksereien. Hinter einem Großteil der Delikte stehen nach Angaben des Bonner Bundeszentralamts für Steuern (BzSt) „kriminelle Organisationen“, die staatenübergreifend sogenannte Umsatzsteuerkarussells organisieren. „Die Delikte werden oft von Firmen im Ausland ausgeführt“, sagt Norbert Haag, Referatsleiter Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung des BzSt, den Stuttgarter Nachrichten. Die Schäden blieben am deutschen Staat hängen.

Die Betrügereien laufen meist nach demselben Schema ab. Dabei werden Waren oder Dienstleistungen zwischen mehreren Unternehmen und meist über Landesgrenzen hinweg gehandelt. Eine Firma in der Kette führt die eigentlich fällige Umsatzsteuer nicht ab, lässt sich die nie gezahlte Summe aber über Umwege vom Staat rückvergüten. Die Differenz verschwindet in den Kassen der Betrüger. Zusätzlich befördert wird die Praxis, weil Geschäfte über Landesgrenzen hinweg – anders als Geschäfte zwischen Firmen mit Sitz im Inland – nach deutschem Steuerrecht umsatzsteuerfrei bleiben. Speziell beim grenzüberschreitenden Handel werde das deutsche Umsatzsteuersystem „anfällig für Betrügereien“, heißt es von Fachleuten.

Entsprechende Tricks gehören für Steuerfahnder in vielen Wirtschaftsbranchen seit Jahren zum Alltag. Mit der europaweiten Liberalisierung der Energiemärkte und der Einrichtung eines kontinentalen Handelssystems für Kohlendioxidverschmutzungsrechte (CO2) haben sie aber vermehrt auch in die Energiebranche Einzug gehalten. Tricksereinen mit CO2-Zertifikaten verursachten nach Daten des BzSt und von Interpol ab 2008 „innerhalb weniger Monate“ Schäden von rund fünf Milliarden Euro in Europa.

Im Frühjahr dieses Jahres geriet auch der Karlsruher Energiekonzern EnBW wegen Unregelmäßigkeiten im CO2-Handelsgeschäft ins Visier von Ermittlern der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung Mannheim. Im April wurde deswegen die Konzernzentrale in Karlsruhe durchsucht. Im Fokus standen dabei auch Tochterfirmen des Karlsruher Konzerns.

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) könnte der Energieversorger noch stärker als bislang bekannt in undurchsichtige Umsatzsteuergeschäfte verwickelt sein.

Staatsanwaltschaft: Keine Ermittlungen gegen EnBW

Dabei soll es nicht mehr nur um CO2-Zertifikate, sondern auch um den viel bedeutenderen Stromhandel gehen. Laut „SZ“ hegten „Finanzbehörden in Baden-Württemberg bereits seit 2010 den Verdacht, dass EnBW in illegale Karussellgeschäfte verwickelt sein könnte“. Sie seien dort „auf strafrechtlich relevante Sachverhalte gestoßen“, schreibt das Blatt. Der Energieversorger wies dies umgehend zurück. Die EnBW habe keine Kenntnis von Verdachtsmomenten gegen das Unternehmen und hierzu laufende Ermittlungen. Auch die Staatsanwaltschaften Mannheim und Stuttgart erklärten, es gebe derzeit in dem Zusammenhang gegen die EnBW keinen Anfangsverdacht und keine Ermittlungen. Auch Ermittlungsverfahren anderer Behörden in diesem Zusammenhang sind der Staatsanwaltschaft Mannheim nicht bekannt.

Alles also nur ein Sturm im Wasserglas? Klar ist, dass deutsche Ermittler derzeit dem Verdacht eines großangelegten Umsatzsteuerbetrugs mehrerer Firmen im Strom- und Gasmarkt nachgehen. Mehrere Staatsanwaltschaften, Steuerbehörden und Kriminalämter arbeiteten in der Sache zusammen, sagte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) am Freitag, ohne Details zu nennen. Laut „SZ“ geht es dabei schlimmstenfalls um „zig Milliarden Euro“.

Den Betrügern kommt dabei nach Ansicht von Fachleuten die internationale Struktur des heutigen Energiegeschäfts zugute. „Ein Großteil des deutschen Stromhandels wird über Handelsplätze mit Sitz in Frankreich beziehungsweise in Luxemburg abgewickelt, sagt ein Fachmann. Deutsche Steuerfahnder räumen offen ein, dass der internationale Handel das „Nachvollziehen der Geschäfte“ erschwere. Trotz vielfacher Reformbemühungen der Politik sei dieser Sachverhalt „immer noch ein Einfallstor für Missbrauch“, sagt ein Experte.