Niedergelassene Ärzte klagen über zunehmende Aggressivität von Patienten. Foto: dpa

Mediziner beklagen zunehmende Aggressionen in Praxen und fordern härtere Strafen. Auch für Gewalt gegen Ärzte solle der neue Straftatbestand zum Schutz von Feuerwehr, Polizisten und Rettern gelten, fordern sie.

Berlin - An jedem Arbeitstag kommt es in Arztpraxen einer Umfrage zufolge bundesweit zu 288 Fällen von körperlicher Gewalt. Das ist das Ergebnis einer ersten Teilsauswertung des Ärztemonitors, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der NAV-Virchow-Bund am Dienstag in Berlin mitteilten. Jeder vierte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt hat demnach in seinem Berufsleben schon Erfahrung mit körperlicher Gewalt durch Patienten gemacht.

Weitaus häufiger ist verbale Gewalt. Hier berichten die befragten Ärzte von bundesweit 2.870 Fällen täglich. Laut Umfrage nimmt verbale Gewalt zu, je größer die Praxis ist, während körperliche Gewalt zunimmt, je kleiner die Praxis ist. Zur Anzeige bringen die Ärzte demnach etwa jeden vierten tätlichen Angriff.

„Wer ständig einen kompletten Berufsstand verbal kriminalisiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn dies zur Gewalt in Praxen führt“, kritisierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Und der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dirk Heinrich, ergänzte: „Gewalt ist längst Alltag in unseren Praxen.“ Beide forderten die Politik auf, ambulant und stationär tätige Ärzte in den neuen Straftatbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB)“ aufzunehmen. Um Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte zu stärken, hatte die Bundesregierung jüngst das Strafmaß bei Übergriffen verschärft.

Gewalt gegen Pflegekräfte und Ärzte nimmt generell zu

Der Ärztemonitor ist die deutschlandweit größte Befragung ambulant tätiger Ärzte und Psychotherapeuten, die die KBV und der NAV-Virchow-Bund – der Verband der niedergelassenen Ärzte – alle zwei Jahre in Auftrag geben. Das Institut für angewandte Sozialwissenschaft hat seit Februar rund 11 000 Niedergelassene telefonisch zu ihrer Arbeitssituation befragt. Für die Teilauswertung wurden die Ergebnisse von 7000 Befragten genommen.

Pro Jahr gibt es den Angaben zufolge rund eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte und über 600 Millionen Behandlungsfälle im Rahmen der ambulanten Versorgung in den Praxen der Niedergelassenen.

Weil die Gewalt gegen Pflegekräfte und Ärzte generell zunimmt, setzen Baden-Württembergs inzwischen Krankenhäuser verstärkt auf Sicherheitsdienste. 19 der 31 größten Kliniken im Land beschäftigen inzwischen interne oder externe Sicherheitskräfte, wie jüngst eine landesweite Umfrage unserer Zeitung ergab. Zudem werden Mitarbeiter von besonders betroffenen Abteilungen wie den Notaufnahmen in Deeskalationstechniken, Gewaltprävention und Selbstverteidigung geschult.