Vanessa Gomes schaut sich keines der WM-Spiele an – aus Prinzip. Foto: LG/Leif Piechowski

Zuschauen oder Wegschauen? Das ist die Frage bei der WM in Katar. Wir haben uns vor dem Eröffnungsspiel am Sonntag unter den Stuttgarterinnen und Stuttgartern umgehört.

WM in Katar ist schwachsinnig

Ich bin kein großer Fußballfan, aber die Weltmeister- und Europameisterschaften schau ich mir eigentlich immer an. Die WM in Katar will ich aber in keiner Weise unterstützen. Mit den menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen dort will ich nichts zu tun haben.

Ich finde es sogar sehr wichtig, die WM zu boykottieren. Das erzeugt Aufmerksamkeit. Die Leute sollen sehen, was hinter der Fußball-Weltmeisterschaft wirklich steckt. Nein, wirklich, die ganze Weltmeisterschaft in Katar ist schwachsinnig! Ich würde die Spiele ja gerne anschauen. Aber auch nur die deutschen Spiele verfolgen und trotzdem Kritik üben, das geht halt nicht. Ganz oder gar nicht: Da kommt es mir aufs Prinzip an.

Vanessa Gomes, 23, Schülerin aus Stuttgart

Die Fifa ist korrupt, der DFB verdient viel Geld

Ich habe keinen Fernseher zu Hause, von daher hätte ich sowieso nicht viele Spiele angeschaut. Bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft werde ich aber keines verfolgen. Ich finde es nicht in Ordnung, auf welche Weise die Weltmeisterschaft vergeben wurde. Und auch die Menschenrechtsverletzungen in Katar lassen es nicht zu, sich die Spiele im Fernsehen anzuschauen. Andererseits gibt es in dieser Frage einen politischen Aspekt, eine Verantwortung des Systems. Die Fifa ist korrupt, und der DFB ist Teil dieses Spiels und verdient viel Geld. Es ist wichtig, das zu betonen.

Arvid Maier, 26, Student aus Stuttgart

Ich glaube, ich kann darauf verzichten

Ich bin hin- und hergerissen. Ich würde die Spiele gerne anschauen, weil es einfach etwas Schönes ist, gemeinsam mit Freunden Fußball zu schauen. Wegen Corona war es so lange nicht möglich. Tatsächlich wäre es aber richtig, die Spiele zu boykottieren. Ich arbeite mit armen Straßenkindern in Rumänien. Grundsätzlich sind ja die Gehälter im Fußball viel zu hoch, es geht alles um Macht und Geld. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass ich die Spiele nicht anschauen sollte. Ich glaube, ich kann darauf verzichten.

Ulla Hogrefe, 33, Erzieherin aus Ostfildern-Ruit

Nicht das, was ich mit einem Fest verbinde

Ich werde die WM boykottieren, aber nicht konsequent. Wenn Deutschland das Viertelfinale erreicht, werde ich mir die Spiele der Mannschaft wahrscheinlich anschauen. Wichtiger ist, dass überhaupt über den Boykott geredet und das auch öffentlich gemacht wird, so wie jetzt mit dieser Umfrage. Das alles wird der DFB wahrnehmen. Obwohl ich Fußballfan bin, ist mein Interesse bei dieser WM aber ohnehin geringer als sonst. Eine Weltmeisterschaft im Winter, in einem Land wie Katar, das ist nicht das, was ich mit einem Fußballfest verbinde.

Jonathan Fischer, 23, Student aus Oberfranken

Ich verurteile niemand, der die Spiele schaut

Die ganze WM ist komplett zweckentfremdet. Obwohl ich Fußballfan bin, will ich das nicht unterstützen. Der Preis, der für die WM gezahlt wurde, ist einfach zu hoch. Ich werde keines der Fußballspiele anschauen. Klar, das tut weh. Mein Herz blutet. Es hat ja auch einen gesellschaftlichen Aspekt, wenn man mit Freunden Fußball schaut, sich über die Spiele unterhält. Das alles wird komplett wegfallen. Das ist aber ein Opfer, das man erbringen kann. Wenn ich die Fußballspiele nicht anschaue, wird das beim DFB zwar niemanden interessieren. Der Großteil der Menschen wird wie immer die Spiele anschauen. Ich verurteile aber niemand dafür.

Dennis Klein, 32, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst aus Stuttgart 

Die Gespräche führte Torsten Schöll.