Gemeinsames Lernen von Schülern mit und ohne Handicap - das ist Inklusion. Foto: dpa

2009 hat Deutschland die UN-Konvention zu Rechten von Menschen mit Behinderungen unterschrieben. Obwohl eine Mehrheit der Bürger die Integration von behinderten Schülern unterstützt, tut sich im Land wenig.

2009 hat Deutschland die UN-Konvention zu Rechten von Menschen mit Behinderungen unterschrieben. Obwohl eine Mehrheit der Bürger die Integration von behinderten Schülern unterstützt, tut sich im Land wenig.

Stuttgart - Eine deutliche Mehrheit der Baden-Württemberger ist laut einer Umfrage für gemeinsames Lernen behinderter und nicht behinderter Schüler. Zugleich zweifeln zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) daran, dass die Politik die erforderlichen finanziellen Mittel dafür bereitstellt. Das geht aus einer Umfrage von Infratest dimap hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben und am Montag in Stuttgart vorgestellt hat.

Anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung wies der Sozialverband VdK darauf hin, dass Behinderte nicht vom Aufschwung der Wirtschaft und rückläufiger Arbeitslosigkeit profitierten. Im Südwesten gebe es 17 250 arbeitslose Schwerbehinderte. Arbeitgeber, die sich der Beschäftigung behinderter Menschen verweigerten, müssten deutlich mehr an Ausgleichsabgabe als 290 Euro im Monat pro unbesetztem Pflichtplatz zahlen, forderte der Verband.

VBE-Landeschef Gerhard Brand sagte mit Blick auf schulische Inklusion: „Das Zaudern der Landesregierung bei allen Finanzierungsfragen und das Fehlen eines ausgewogenen Konzeptes stößt die Bürger vor den Kopf.“ Er dringt darauf, dass die Finanzierung von Bund, Ländern und Kommunen gestemmt werden müsse. Diese dürften sich nicht gegenseitig weiter den Schwarzen Peter zuschieben.

SPD: Vorgängerregierung tat jahrelang nichts

Die SPD-Fraktion sprach dagegen von einem „jahrelangen Nichtstun“ der Vorgängerregierung bei der Inklusion, das mit der für 2015/16 geplanten Gesetzesnovelle beendet werden solle. Der SPD-Schulexperte Klaus Käppeler meinte: „Inklusion zum Nulltarif kann es nicht geben.“ Neben dem Land müssten sich auch Kommunen und Bund beteiligen.

Die Opposition wies die Vorwürfe zurück und sprach von einem „Armutszeugnis“ von Grün-Rot. „Die Leidtragenden dieses Versagens sind zum einen die Schüler mit Behinderung, denen die Möglichkeit einer inklusiven Beschulung auf diese Art und Weise verbaut wird, und zum anderen die Eltern, auf deren Rücken ungeklärte Finanzierungsfragen ausgetragen werden“, sagte die CDU-Abgeordnete Monika Stolz. Die FDP erwartet, dass Grün-Rot zügig einen Aktions- und Finanzierungsplan Inklusion für Baden-Württemberg auf den Tisch legt. Dabei müssten Sonderschulen ihre wichtige Rolle behalten.

Sonderschulen soll es weiterhin geben

Diese sollen nach dem Willen von Grün-Rot nicht geschlossen werden. Die Eltern sollen weiter entscheiden können, ob ihre behinderten Kinder Sonder- oder Regelschulen besuchen. Brand lobte das Konzept von Grün-Rot für die Lehrerbildung, nach dem der Studiengang Sonderpädagogik erhalten bleibt und sonderpädagogische Elemente in alle anderen Lehramts-Studiengänge fließen.

Fast drei Viertel der Befragten im Land sehen mehr Vor- als Nachteile der Inklusion in der Grundschule. Für weiterführende Schulen befürworten 60 Prozent der Befragten gemeinsames Lernen. Nach den Worten von Brand zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen, dass die Distanz der Bevölkerung zur Inklusion in dem Maße zunehme, in dem die Landesregierung ihre Versprechen nicht erfülle. Im Südwesten glauben derzeit nur 25 Prozent der SPD-Wähler, dass Grün-Rot die erforderlichen Mittel für Inklusion bereitstellen werde. Unter den CDU-Wählern trauen das immerhin 33 Prozent der Koalition zu.

Kultusminister Stoch (SPD) will nach eigenen Angaben trotz der Verschiebung der Schulgesetzänderung zur Inklusion diese im kommenden Schuljahr vorantreiben. Dazu sollen in den nächsten Wochen Eckpunkte vom Kabinett verabschiedet werden, um Schulen und Schulverwaltung Leitlinien für die Umsetzung vorzugeben.