Die Esslinger Fahrradstraße gilt als Erfolg. Dennoch gibt es noch viel Luft nach oben bei Radwegen im Kreis Esslingen. Foto: Robin Rudel

Der aktuelle ADFC-Fahrradklimatest zeigt im Vergleich zu 2022 leichte Verbesserungen – die Noten für den Radverkehr bleiben im Kreis Esslingen aber im Mittelfeld stecken.

Macht Radfahren in Ihrem Ort Spaß oder bedeutet es Stress? Werden Radler bequem und sicher an Baustellen vorbeigeführt? Und werden Radwege regelmäßig gereinigt? Es sind Fragen wie diese, die der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) bei seinem Fahrradklimatest stellt. Dabei werden deutschlandweit Radfahrende gebeten, ihre persönliche Einschätzung zum Radverkehr in ihrer Stadt abzugeben. Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage im vergangenen Herbst liegen jetzt vor – und zeigen einen ganz leichten Aufwärtstrend.

 

So hat sich das Fahrradklima in Deutschland laut ADFC leicht verbessert, auch wenn es insgesamt unbefriedigend bleibe: Im Herbst 2024 lag die Bewertung bei durchschnittlich 3,92, bei der letzten Befragung 2022 lag die Durchschnittsnote noch bei 3,96. Die leichte Verbesserung zeige sich in Großstädten ebenso wie in kleineren Städten oder auf dem Dorf, so der ADFC. Und durch den steigenden Pedelec-Anteil werde selbst manch bergige Kommune zur Fahrradhochburg. Vor allem in größeren Städten werde zudem die Fahrradförderung stärker wahrgenommen und honoriert.

Radler in Esslingen loben Öffnung der Einbahnstraße in Gegenrichtung

Als besonders gut bewerteten die Radlerinnen und Radler, dass die Stadtzentren wieder besser mit dem Fahrrad erreichbar seien, dass viele Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung geöffnet wurden und dass sowohl ältere als auch junge Menschen Rad fahren. Besonders kritisch sahen die Teilnehmenden beim Fahrradklimatest hingegen die Radführung an Baustellen vorbei, die mangelnde Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen und die oft zu geringe Breite von Radwegen.

Die bundesweiten Ergebnisse spiegeln sich laut Petra Schulz, Esslinger Kreisvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), auch im Kreis Esslingen wieder. Zwar nutzten inzwischen deutlich mehr Menschen immer öfter das Fahrrad, doch Verbesserungen der Infrastruktur würden nur sehr schleppend umgesetzt. „Zu lange wurde nicht mit der notwendigen Priorität an besseren Rahmenbedingungen fürs Radfahren gearbeitet“, so Schulz. Zudem hingen Entscheidungen häufig in Regionalparlamenten fest.

Viele Radfahrer schätzen es, wenn sie in der Fußgängerzone radeln dürfen – doch nicht alle befürworten das. Foto: Roberto Bulgrin

Gleichwohl bemerkten die Radverbände durchaus, wenn gut ausgebildete und qualifizierte Fachleute an der Gestaltung von Stadtplanung und Mobilität arbeiteten, etwa in Esslingen, Kirchheim, Neuhausen oder beim Landkreis. Allerdings sorgten langwierige Entscheidungsprozesse und der ohnehin vorhandene Sanierungsstau allerorten immer wieder für Verzögerungen. Daher sind die Ergebnisse des Fahrradklimatests für Petra Schulz nicht überraschend.

In den meisten Kommunen im Kreis Esslingen haben sich die Noten im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2022 nur unwesentlich verändert. Die Gesamtbewertungen lagen wie schon zwei Jahre zuvor auf der Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) zwischen 3,5 (Filderstadt) und 4,1 (Esslingen). Damit liegt Esslingen auf Platz 63 der 113 teilnehmenden Städte mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern.

Filderstadt belegt den besten Platz der Kreiskommunen

Filderstadt hat sich mit der Note 3,5 zwar leicht verschlechtert (2022: 3,4), belegt aber mit Platz 31 der 429 Kommunen mit einer Einwohnerzahl zwischen 20 000 und 50 000 den besten Platz der Kreiskommunen. Ostfildern hat sich mit 3,9 ebenfalls leicht verschlechtert (2022: 3,7), Leinfelden-Echterdingen bleibt wie 2022 bei 3,7. Auch Köngen bleibt bei seinem Wert von 2022, nämlich bei 4,0, Nürtingen verschlechtert sich leicht auf 4,0 (2022: 3,7) und Wendlingen verbessert sich auf 3,9 (2022: 4,1). Für Kirchheim (3,7) und Reichenbach (4,1) liegen keine Vergleichszahlen aus 2022 vor.

Auffällig sind für Thomas Albrecht vom ADFC-Kreisverband Esslingen vor allem die Verbesserungen in Neuhausen und Plochingen. Neuhausen habe sich von Note 4,5 auf 4,1 gesteigert. „Das ist eine deutliche Verbesserung“, so Albrecht – sei aber im Vergleich mit anderen Orten dieser Größenklasse trotzdem nicht gut (Platz 320 von 423). Die Verbesserung führt Albrecht auf die neue Radverkehrskoordinatorin in Neuhausen zurück, die einiges angestoßen habe. Plochingen habe sich von 4,3 auf 4,0 verbessert. Positiv würden hier vor allem die Abstellanlagen bewertet, was laut Albrecht am 2023 fertiggestellten Fahrradparkhaus liegen dürfte.

Radfahrer kritisieren schleppende Verbesserungen

Albrecht hört viel Ungeduld aus den Freitexten beim Fahrradklimatest heraus. Den Radfahrenden gehe alles viel zu langsam. Im Bereich von Esslingen werde vor allem ein durchgängiges Radverkehrsnetz mit funktionierenden Talquerungen gefordert. Als Hauptmängel in Esslingen würden Konflikte mit Autos und eine mangelnde Falschparkerkontrolle auf Radwegen angegeben.

Für Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Nürtingen, zeigen die Bewertungen vor allem dringenden Handlungsbedarf: Radfahren sei gut für die Gesundheit, die Umwelt und die Lebensqualität. Leider würden aber nicht immer die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass mehr Menschen häufiger das Rad nutzen. „Die Infrastruktur muss zum Radfahren einladen. Dazu braucht es Pläne und eine konsequente Umsetzung.“

Der Fahrradklimatest des ADFC

Umfrage
Der Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) soll zeigen, wie zufrieden Radfahrende in Deutschland mit den Bedingungen vor Ort sind. Dafür werden bundesweit Radfahrende gebeten, anhand von 27 Fragen ihre persönliche Einschätzung zum Radverkehr in ihrem Ort abzugeben. Zusätzlich sind Kommentare als Freitext möglich. Die Umfrage, bei der es sich nicht um eine repräsentative Erhebung handelt, findet alle zwei Jahre statt.

Wertung
Der jüngste Fahrradklimatest fand zwischen dem 1. September und dem 30. November 2024 statt. In diesem Zeitraum beteiligten sich insgesamt rund 213 000 Radfahrende und insgesamt 1047 Städte und Gemeinden kamen in die Wertung. Die Orte werden nur in die Bewertung aufgenommen, wenn die Zahl der Teilnehmenden aus der jeweiligen Kommune die vorher festgelegte Mindestzahl übersteigt.