Die Angst in den Augen: Szene aus dem US-Thriller „Scream – Schrei!“ von dem amerikanischen Regisseur Wes Craven aus dem Jahr 1996. Foto: AP

Die Sorge um den Lebensstandard und die Angst vor dem Coronavirus prägen die deutsche Gesellschaft. Was die größten Sorgen der Bundesbürger im Jahr 2020 sind, haben Experten untersucht.

Berlin/Wiesbaden - In Deutschland ist die Sorge vor Wohlstandsverlust nach einer repräsentativen Studie deutlich größer als vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Das ist ein Ergebnis der Umfrage „Die Ängste der Deutschen“, die im Auftrag der R+V-Versicherung erstellt worden ist und an diesem Donnerstag (10. September) in Wiesbaden vorgestellt werden soll.

Danach fürchtet rund die Hälfte der Bundesbürger eine wirtschaftliche Talfahrt durch die Pandemie. Angst vor einer schweren Erkrankung hat dagegen nur rund ein Drittel. „Nach unseren Erkenntnissen haben die Menschen deutlich mehr Angst davor, dass das Virus ihren Wohlstand bedroht als ihre Gesundheit“, sagte Brigitte Römstedt, Leiterin der Studie.

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Seismograph deutscher Befindlichkeiten

Für die Studie werden seit 1992 jedes Jahr rund 2400 Deutsche ab 14 Jahren persönlich befragt. In diesem Sommer lief die Umfrage vom 8. Juni bis zum 21. Juli. Methodisch werden die Teilnehmer gebeten, eine Reihe vorgegebener Themen auf einer Skala zwischen eins (gar keine Angst) bis sieben (sehr große Angst) zu bewerten.

Die Umfrage gilt Forschern wegen ihres Langzeit-Effekts als Seismograph der deutschen Befindlichkeiten rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit.

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Volk der Angsthasen? Ein Rückblick

1992, als die Experten zum ersten Mal die Bundesbürger fragten, was sie so umtreibt und ihnen Sorgen bereitet, war Helmut Kohl Bundeskanzler. Es war das Jahr drei der Wiedervereinigung, die am 3. Oktober 1990 mit dem Tag der Deutschen Einheit offiziell besiegelt wurde.

1990er Jahre

Zu Beginn der 1990er Jahre ängstigten sich die Deutschen vor allem vor Alter, Krankheit und dem Pflegefall. Damals begannen die öffentlichen Diskussionen über die Renten- und Gesundheitsreform sowie den demografischen Wandel in der Gesellschaft.

Ab Mitte der 1990er Jahre stand mehr die Angst vor Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise und Massenentlassungen im Fokus. Die Ernüchterung nach der Wende 1989 prägten diese Ära.

Ab 2000

Zu Beginn des neuen Milleniums – nach der Einführung des Euro – galt die Hauptsorge der Menschen, dass das Leben immer teurer wurde. 9/11 – die Anschläge von Mitgliedern der islamistischen Terrormiliz El Kaida auf das World-Trade-Center in New York und das Pentagon in Washington – machten die Angst vor Terror zum alles beherrschenden Thema.

Während der Finanz- und Wirtschaftskrise rückten ab 2007 wieder verstärkt wirtschaftliche Sorgen in den Mittelpunkt. Zugleich schärften Klimawandel und Naturkatastrophen das Bewusstsein für die Umwelt.

Ab 2010

In den vergangenen Jahren machten die Folgen der Euro-Schuldenkrise und die Flüchtlingskrise den Deutschen das Leben schwerer. Die Terroranschläge von Paris (Januar und November 2015), Brüssel (März 2016) und Manchester (Mai 2017) verstärkten die Furcht der Bürger, dass auch die Politiker mit den gegenwärtigen Herkulesaufgaben heillos überfordert sein könnten.

2017 überstieg fast die Hälfte der abgefragten 20 Sorgen die 50-Prozent-Marke – deutlich mehr als in den meisten der 25 Studien zuvor. Vier Ängste erreichten sogar den zweithöchsten Wert seit Beginn der Umfrage. Überdurchschnittlich viele Bundesbürger fürchteten sich vor Terroranschlägen, politischem Extremismus, Spannungen durch den weiteren Zuzug von Migranten und vor Giftstoffen in Nahrungsmitteln. Unvermindert hoch war mit 57 Prozent auch die Angst vor der Überforderung von Bürgern und Behörden durch die große Zahl der Flüchtlinge.