In Deutschland stiegen antisemitische Angriffe vergangenes Jahr stark an. Foto: imago images/Christian Spicker

Besonders stark sind negative Stereotype über Juden in osteuropäischen Staaten wie Polen und der Ukraine verbreitet. Aber auch viele der befragten Deutschen und Österreicher fanden etwa, dass Juden zu viel über den Holocaust sprächen.

Berlin - Etwa jeder vierte Europäer hat antisemitische Ansichten. Das hat eine Umfrage im Auftrag der New Yorker Anti-Defamation League ergeben, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden. Antisemitismus nimmt demnach im Osten des Kontinents zu, für den Westen wurden überwiegend leichte Rückgänge vermeldet.

In Polen waren antisemitische Ansichten verbreiteter als in jedem anderen der 14 untersuchten europäischen Länder. 48 Prozent der Polen haben laut der Untersuchung eine solche Haltung, während es 2015 37 Prozent gewesen seien. In der Ukraine stieg die Zahl seit 2016 von 32 auf 46 Prozent, in Ungarn von 40 auf 42 Prozent.

Drei Länder im Fokus

Alle drei Staaten waren in jüngerer Zeit wegen antisemitischer Tendenzen von jüdischen Gruppen kritisiert worden: Die Ukraine, weil sie im vergangenen Jahr einen Kollaborateur der Nazis aus dem Zweiten Weltkrieg gewürdigt hatte, Ungarn wegen scharfer Attacken der Regierung von Viktor Orban gegen den jüdischen Finanzier George Soros, Polen wegen eines Holocaust-Gesetzes, das Israel als Versuch sieht, die Beteiligung von Polen an der Ermordung der Juden kleinzureden.

In Deutschland, Österreich, Großbritannien, Italien, Spanien, und den Niederlanden verzeichnete die Umfrage rückläufigen Antisemitismus. Besonders stark ging der Wert in Italien und Österreich zurück, von 29 auf 18 Prozent beziehungsweise von 28 auf 20 Prozent. In Frankreich blieb die Verbreitung unverändert bei 17 Prozent, wohingegen sie in Dänemark und Belgien etwas zunahm. Für vier Prozent der Schweden wurden antisemitische Überzeugungen ermittelt, weniger als in jedem anderen untersuchten europäischen Land.

So wurde gefragt

Bei der Befragung wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie bestimmte negative Stereotypen über Juden für „wahrscheinlich wahr“ oder „wahrscheinlich falsch“ hielten. Wer mindestens sechs von elf Vorurteilen für „wahrscheinlich wahr“ hielt, wurde als Person mit antisemitischer Haltung eingestuft. Unter anderem fanden 42 Prozent der befragten Deutschen und 44 Prozent der Österreicher, dass Juden zu viel über den Holocaust sprächen.

Abgefragt wurde unter anderem auch, ob man der Meinung sei, Juden hätten zu viel Einfluss auf die Geschäftswelt oder seien Israel gegenüber loyaler als ihrem Heimatland.

Mehr Vorfälle in Deutschland

Die Ergebnisse spiegeln nicht wider, wie oft es dann zu antisemitischen Übergriffen in den jeweiligen Ländern kommt. In Ungarn und Polen sind solche Angriffe relativ selten, in Deutschland stiegen sie Studien zufolge im vergangenen Jahr um zehn Prozent, in Großbritannien waren es in der ersten Jahreshälfte 2019 ebenfalls zehn Prozent mehr.

Die Umfrage war Teil einer größer angelegten Studie, für die auch Menschen in Kanada, Südafrika, Argentinien und Brasilien befragt wurden. Insgesamt wurden 9056 Interviews geführt, in den einzelnen Staaten lag die Zahl der Befragten bei mindestens 500. Die Fehlerspanne wurde mit 4,4 Prozent nach oben und unten angegeben.