Im Hochhaus der JVA Stammheim saßen einst die führenden Köpfe der RAF ein. Statt des geplanten Abrisses soll das Gebäude jetzt saniert werden. Doch das verzögert sich. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das berühmte Hochhaus in der JVA Stammheim muss dringend saniert werden. Doch das verzögert sich. Und beim geplanten Umbau stellt sich eine entscheidende Frage.

Stuttgart - Eigentlich hätte das berühmte Hochhaus der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stammheim zeitnah saniert werden sollen. Doch diesen Winter müssen die Häftlinge noch so in dem maroden Gebäude, in dem sich die führenden Mitglieder der terroristischen Roten-Armee-Fraktion (RAF) in den 70er Jahren das Leben nahmen, verbringen, wie es ist.

Das Problem: Vor allem die in die Jahre gekommene Heizungsanlage funktioniert nicht mehr richtig. „Die Anlage lässt sich nicht mehr richtig einstellen, daher kommt es zu Temperaturschwankungen“, sagte der Leiter des Amts Ludwigsburg vom dafür zuständigen Landesbetrieb Vermögen und Bau, Andreas Hölting, unserer Zeitung. Das bedeutet: Mal ist es in den Zellen zu warm, mal zu kalt. Bis zum Beginn der Sanierung müsse die Betriebs- und Versorgungssicherheit durch einen erhöhten Betreuungsaufwand gewährleistet werden, sagte Hölting. Wann es mit den Bauarbeiten losgeht, ist jedoch unklar. Derzeit wird noch ermittelt, was genau in Bau I der JVA Stammheim gemacht werden muss und was es kostet. Der Landesbetrieb prüfe den Umfang der Maßnahmen, die „für einen mehrjährigen Weiterbetrieb des Hochhauses zwingend erforderlich“ seien, sagte Hölting. Konkret geht es um Brandschutz, Sicherheits- und Gebäudetechnik. Nicht nur die Heizung muss instand gesetzt werden, sondern auch Wasser- und Stromleitungen. Eines ist laut Hölting schon klar: „Während der Sanierung wird eine Räumung der betroffenen Bereiche des Hochhauses unumgänglich sein.“

Das Gebäude muss nach und nach geräumt werden

Doch wie geht die JVA damit um? Wo bringt sie die Gefangenen dann unter? Laut Justizministerium sitzen in dem maroden Bau derzeit noch rund 600 Straftäter ein. In den nächsten Monaten sollen die fünf neu errichteten Hafthäuser, die im Oktober dieses Jahres eingeweiht wurden, sukzessive bezogen werden. Auch danach soll nach Ministeriumsangaben mittelfristig „mindestens ein Stockwerk“ im RAF-Hochhaus belegt bleiben. Pro Stockwerk gibt es – je nach Ausbau – zwischen 60 und 100 Haftplätze. Man müsse während des Umbaus die betroffenen Teilbereiche des Hochhauses „abschnittsweise räumen“, sagt Hölting, um die Gefangenen unterbringen zu können.

Ursprünglich hätte der Bau I abgerissen werden sollen, sobald die 559 modernen Haftplätze in den neuen Unterkünften auf dem Gelände genutzt werden können. Aus wirtschaftlicher und energetischer Sicht galt es nicht als sinnvoll, ihn zu sanieren. Doch weil die Gefängnisse in Baden-Württemberg seit Monaten überbelegt sind und der Neubau der JVA in Rottweil voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2023 abgeschlossen sein wird, hatte Justizminister Guido Wolf (CDU) angekündigt, das Stammheimer Hochhaus auch nach der Inbetriebnahme der 57 Millionen Euro teuren neuen Gebäude weiter nutzen zu wollen. Die zusätzlichen Zellen werden dringend benötigt. Teilweise belegen derzeit zwei Gefangene eine Einzelzelle, wenn die Betroffenen zustimmen.

Um den Engpass zu überbrücken, verständigten sich Wolf und die für Liegenschaften zuständige Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) im April dieses Jahres darauf, das Hochhaus weiter zu betreiben. Sitzmann schrieb damals in einem Brief, der unserer Zeitung vorliegt: „In Anbetracht der aktuellen Verhältnisse im Justizvollzug in Baden-Württemberg ist es geboten, bestehende Kapazitäten zur Verringerung der Überbelegung aufrechtzuerhalten.“ Sie unterstütze deshalb die Pläne in Stammheim „ausdrücklich“, so die Ministerin. Man werde Sorge tragen, „dass die baulichen Rahmenbedingungen für einen vorläufigen befristeten Weiterbetrieb geprüft und möglichst zeitnah geschaffen werden“.