Die Neue Weinsteige bietet einen beeindruckenden Ausblick über den Stuttgarter Talkessel. Die Stadt will dieses Potenzial künftig besser nutzen.. Foto: VZZZ-Chronist Reinhard Bieber

Die B 27 bietet für im Stau steckende Autofahrer bei gutem Wetter einen schönen Blick über den Stuttgarter Talkessel. In den Genuss sollen nach dem Willen der Stadt künftig auch Radfahrer und Fußgänger kommen.

Stuttgart - Die neue Weinsteige ist unzweifelhaft eine der schönsten Panoramastraßen Stuttgarts. Genießen können den Ausblick über die Landeshauptstadt freilich nur jene Autofahrer, die dort nahezu täglich zu den Hauptverkehrszeiten im Stau stehen. Die Stadt will das nun ändern.

Im Zuge der ohnehin anstehenden Sanierung der teilweise maroden Stützmauer, die die Bundesstraße 27 am Hang fixiert, soll die Route bergauf auch für Radfahrer und touristische Zwecke erschlossen werden. Ein entsprechendes Konzept stieß am Dienstag im Technischen Ausschuss des Gemeinderats auf breite Zustimmung – und das, obwohl dafür zwei Drittel der 73 Parkplätze am Straßenrand wegfallen sollen.

„Die neue Weinsteige funktioniert als Straße gut, weist aber für andere Verkehrsteilnehmer bisher erhebliche Mängel auf.“ Diese Erkenntnis des städtischen Verkehrsplaners Stephan Oehler teilten alle im Gremium vertretenen Fraktionen. Schmale Gehwege, fehlende Radstreifen sowie keine Haltemöglichkeiten für Touristikbusse – „die Panoramastrecke liegt im Dornröschenschlaf“, so Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Nun soll die Strecke abschnittweise umgebaut werden, damit auch Radler und Fußgänger den Ausblick genießen können. Doch dazu muss ein Großteil der Stellplätze entfallen, die nach Erhebungen der Abteilung Verkehrsplanung ohnehin durchschnittlich nur zur Hälfte belegt sind. Die dort vorzugsweise abgestellten Anhänger mit Werbeplakatenfür Saunaclubs und Firmen sind den Stadträten ohnehin seit jeher ein Dorn im Auge. Der Straßenraum lässt sich aufgrund der Hanglage nicht anders verbreitern. 25 Stellplätze für Anwohner und Besucher sollen demnach – verteilt auf die Gesamtstrecke – bestehen bleiben.

Pläne stoßen bei Fraktionen überwiegend auf Zustimmung

Die Aussicht darauf, dass künftig ganze Heerscharen von Stuttgart-Touristen an der Weinsteige aus dem Bus steigen könnten, um den Blick über den Talkessel zu genießen, machte auch bei jenen Fraktionen Eindruck, die sonst gern um jeden wegfallenden Parkplatz ringen. „Wir können grundsätzlich mit der Reduzierung der Stellplätze leben“, so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz.

Rückblickend ließ Kotz Selbstkritik erkennen: Vielleicht sei es ein Fehler gewesen, das man 1987 mit Zustimmung der Union nicht die Autos, sondern die Stadtbahn in den Bopsertunnel verbannt habe. Sein Kollege Jürgen Zeeb (Freie Wähler) sprach von einer „tollen Planung“. Beide plädierten aber dafür, den geplanten Fußwegen nicht oberste Priorität einzuräumen. Das sah auch FDP-Stadtrat Michael Conz so. „Da läuft doch normalerweise so gut wie niemand rum.“ Beate Schiener (Grüne) wiederum freute sich darüber, dass durch die Planung die Neue Weinsteige in die Hauptradroute 3 zwischen Stadtmitte und Degerloch integriert werde. Man müsse aber zunächst mit den Anliegern über den Wegfall der Parkplätze reden. Auch SPD-Rätin Susanne Kletzin plädierte dafür, zunächst den tatsächlichen Stellplatzbedarf der Anwohner zu ermitteln.

Luigi Pantisano (SÖS/Linke-plus) sieht in der „schönen Idee“ der Planer einen Schönheitsfehler: Es sei nicht einzusehen, warum überhaupt Stellplätze erhalten werden müssten: „Die Anwohner haben doch alle ihre Garagen.“ Bernd Klingler (AfD) wiederum hält die Bundesstraße als Radroute für denkbar ungeeignet: „Die B 27 ist eben vor allem eine Bundesstraße.“

Bürgermeister: Radlerstreifen stadteinwärts unmöglich

Für Kopfschütteln auf der Bürgermeisterbank und ein Raunen im Gremium sorgte die exotisch anmutende Idee des Stadtisten Ralph Schertlen, die Weinsteige mit einer Art Hochradsteig zu überbauen. Auch dem Vorschlag des Einzelstadtrats, stadteinwärts an der Hangseite einen Radschutzstreifen einzurichten, erteilte Baubürgermeister Pätzold eine harsche Absage: Der Platz dafür reiche nicht aus, und die Zugänge zu den Häusern oberhalb der Straße müssten frei gehalten werden.