Eine lange Geschichte hat der Gutshof im Stuttgarter Osten. Hier war

Eine lange Geschichte hat der Gutshof im Stuttgarter Osten. Hier war ein Fuhrgeschäft, ein Tanzlokal und ein Kino, nun muss das Verwaltungsgericht entscheiden, was dort entsteht. Die Eigentümer wollen Mietwohnungen bauen, der Stadt war der Entwurf zu groß.

Von Frank Rothfuss

Linda Breining lebt in Dietmannsried im Allgäu. Aufgewachsen ist sie in Stuttgart. Kürzlich war sie mal wieder in ihrer Heimatstadt, allerdings nicht um Verwandte zu besuchen. Das Verwaltungsgericht hatte zum Ortstermin gebeten. Am Grundstück Hackstraße 1b trafen sich Richter, Linda Breining und Vertreter der Stadt, um den Gutshof in Augenschein zu nehmen. Und um zu klären: Was soll dort gebaut werden?

Linda Breining als Sprecherin der Erbengemeinschaft sagt: "Ein Mietshaus, das ähnlich wie das Nachbargebäude sieben Stockwerke hat." Das Baurechtsamt sagt: "Laut Baustaffel dürfen nur 40 Prozent des Grundstücks überbaut werden, mit einer Gebäudetiefe von zwölf Meter". Dies ergäbe ein viel kleineres Haus. "Das wird dann eine Stadtvilla, allenfalls ein Drei-Familienhaus", hat Linda Breining ausgerechnet. Das sind die Standpunkte. Weil sich beide Parteien nicht bewegen, traf man sich vor dem Gutshof.

Von der großen Vergangenheit ist heute nichts mehr zu sehen. Die Fuhrmannsfamilie Kraft betrieb hier ihr Geschäft, bis im zweiten Weltkrieg eine Bombe den Chef Eugen Kraft tötete und das Anwesen in Trümmer legte. Nach dem Krieg war das Kino "Schauburg" für Generationen von Schülern des Zeppelingymnasiums und der Stöckach-Mittelschule Ort der Sehnsüchte. Draußen die Neckarstraße, drinnen die weite Welt. Geträumt wurde auch nach dem Ende des Kinos. Beim Schieber im Tanzlokal Gutshof kamen sich Damen und Herren näher. Doch der Paartanz geriet aus der Mode, ebenso erging es dem Gutshof. Ende der 90er Jahre schloss das Lokal.

Geerbt haben das Gelände die drei Enkelinnen von Eugen Kraft. Die Erbengemeinschaft sei sich einig, dass man dort Mietwohnungen bauen wolle. "Wir sind alle dort aufgewachsen", sagt Linda Breining, "wir wollen der Stadt und dem Viertel etwas Gutes tun und bezahlbare Wohnungen bauen." Seit 2004 versuche man, dies zu verwirklichen, scheitere aber am Baurechtsamt. "Wir hatten einen Bauträger, der ist aber durch die lange Hängepartie abgesprungen."

Mit dem Ergebnis, dass das Gelände verkommt. Die Türen des Gutshofs sind verrammelt, die Jalousien hängen schief in den Fenstern. Das Gebäude mit dem flachen Dach verfällt, auf dem 600 Quadratmeter großen Grundstück sprießt das Gras durch Ritzen im Asphalt, wo keine Büsche und Bäume wachsen, parken die Nachbarn. "Meine Kusine lebt gleich ums Eck", sagt Linda Breining, "und wird immer wieder angesprochen: Wie sieht"s denn da aus!?"

Hübsch ist die Lücke tatsächlich nicht. Warum versucht das Baurechtsamt dann aber einen Neubau zu verhindern, dazu noch mit dringend benötigten Mietwohnungen? "Dort gilt die Baustaffel 3", sagt Kirsten Rieckes, Leiterin des Baurechtsamts, "und laut deren Vorgaben könne man den Neubau nicht in dieser Größe genehmigen. Befreiungen, also Ausnahmen, seien zulässig, "aber dafür brauchen wir eine genaue Planung". Bisher habe man nur eine Bauvoranfrage erhalten, keinen Bauantrag, der ausführe: wie hoch? wie breit? wie tief?

Für Linda Breining sind das Ausflüchte. "Die Häuser daneben sind höher, aber wir dürfen nur drei Stockwerke hoch bauen." Das rechnet sich für einen Bauträger nicht und sei unverständlich. Zumal 1952 beim Bau des Gutshofes "das Flachdach als Zwischenlösung gedacht war, und ein Aufsatz von vier Stockwerken gewünscht wurde, um den optischen Anschluss zu erzielen."

Doch sowohl Baubürgermeister Matthias Hahn als auch das Regierungspräsidium folgten den Argumenten des Baurechtsamts. Nun muss das Verwaltungsgericht klären, wie es mit dem Gutshof weitergeht.