Auf Heimatbesuch: Schon als kleiner Junge hat der international erfolgreiche Duftdesigner Ulrich Lang im Friseurladen seiner Oma buchstäblich jeden Geruch in sich aufgesogen. Foto: Leif Piechowski

Wie kaum eine andere Metropole weckt New York die Sehnsucht, dort einmal zu leben. Für Ulrich Lang ging der Traum in Erfüllung. An diesem Dienstag zeigt das SWR-Fernsehen in der Reihe „Goodbye Ländle“ einen Film über den Parfümdesigner, der es mit dem Duft Anvers zu Weltruhm gebracht hat.

Stuttgart - Von Backnang, dem 34.000-Seelen-Städtchen, nach New York, von der Murr an Hudson und East River. War es eine Flucht vor der provinziellen schwäbischen Enge? „Aber nein, gar nicht“, wehrt der heute 45-jährige Ulrich Lang entschieden ab.

Lang sagt, er habe in Backnang gern gelebt und fühle sich dort heute noch zu Hause: „Meine alte Heimat wächst mir jedes Jahr mehr ans Herz. Und je älter ich werde, desto wichtiger sind mir die eigenen Wurzeln.“ Gerade ist er wieder mal eingeflogen und genießt die schwäbische Küche bei seiner Mutter. Der Hunger auf seine Leibspeise, „Linsen mit Saitenwürstle und Spätzle“, verrät er, war aber nicht der einzige Grund für seinen Heimat-Trip. Sondern die Ausstrahlung eines Filmes über ihn im Fernsehen.

„Goodbye Ländle“ heißt der Titel einer SWR-Serie über Baden-Württemberger, die ausgewandert sind. Wie viele Schwaben auch in den vergangenen Jahrhunderten, als Hungersnöte, Kriege und politische Verfolgung Menschen aus der Heimat vertrieben. „Als ich zufällig von Ulrich Lang hörte, war mir klar, den brauchen wir in unserer Serie“, berichtet Martin Klein, zusammen mit Gabi Damasko Autor dieser Sendung. Sie begleiteten ihn mit der Kamera durch Manhattan, filmten in dem schicken Lokal, in dem sich Parfüm-Verrückte auf der Suche nach neuen Düften treffen, wo Lang mit Küsschen links und Küsschen rechts empfangen wird und seine vier Kreationen Anvers in zwei Variationen, Nightscape und Lightscape in der eleganten schwarzen Box präsentiert. „Die Parfüms von Uli sind alle sehr sexy“, schwärmt eine der Damen: „Düfte, die jeden aus den Socken hauen.“ Wow!

„Mir wurde schon im Elternhaus der Sinn für Schönes und Ästhetik vermittelt“

„Ich bin eigentlich kein wirklicher Auswanderer und erst recht kein Aussteiger“, stellt Lang klar. Natürlich sei New York die Stadt seiner Träume, in der er immer schon leben wollte. Aber dort wirklich gelandet sei er durch eine Kette von glücklichen Zufällen. Da stellt er sein Licht etwas unter den Scheffel. Denn es gehörte wohl auch eine bewundernswerte Portion Mut, Selbstvertrauen, Entschlossenheit und Offenheit für die Welt zu diesem Sprung übers große und ins kalte Wasser.

„Ich habe mich 1994 einfach beworben bei ‚Interview‘, einer Lifestyle-Publikation, die von Andy Warhol gegründet worden war“, erzählt er. Und er wurde engagiert. Einfach so, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, in New York, wo so viele scheitern, auf Anhieb einen Traumjob zu ergattern.

Langs Affinität zur zeitgenössischen Kunst kam nicht von ungefähr: „Mir wurde schon im Elternhaus der Sinn für Schönes und Ästhetik vermittelt.“ Früh begeisterte er sich für moderne Kunst und ließ fortan keine Art Basel, die renommierteste Kunstmesse, mehr aus. Doch nun war er mittendrin in der Szene der Galerien und der künstlerischen Avantgarde.

Großmutter hatte Friseursalon mit Parfümerie

1996 endete die erste New-York-Episode. „Ich bin beim Kosmetik-Konzern L’Oréal in Düsseldorf als Produktmanager eingestiegen.“ Erfahrung für das Geschäft mit der Schönheit hatte der studierte Betriebswirt nicht erst bei einem früheren Praktikum bei Estée Lauder in London gesammelt.

Vielmehr könnte man auch hier von einer frühkindlichen Prägung sprechen: „Meine Großmutter hatte einen Friseursalon mit Parfümerie“, erzählt Ulrich Lang. Hier sog der Bub mit Begeisterung Düfte wie Obsession, Eternity, Escape, Ma Griffe und Arpège ein, Namen wie Jil Sander, Joop, Calvin Klein waren ihm so geläufig wie anderen Buben in Backnang Automarken wie Mercedes oder Volkswagen.

Nach zwei Jahren war es wieder einer der glücklichen Zufälle, der ihn erneut seine Zelte in Deutschland abbrechen ließ: „Ich habe auf der Art Basel meinen alten Chef aus New York getroffen, der mich drängte, wieder zurückzukommen.“

Nachdem er dort zuerst ein Portal für Kunst im Internet aufgebaut hatte, reizte ihn irgendwann die Idee, seine zwei Lieblingsthemen, Kunst und Düfte, zu einer Komposition verschmelzen zu lassen. „Ich bin ja kein gelernter Parfümeur“, stellt der 45-Jährige klar, aber er eignete sich das Grundlagenwissen an – „was ist eine Kopfnote, die Herznote und die Basisnote“ – , tauchte tief ein in das Universum der Wohlgerüche und brachte mit Kreativität, einem feinen Näschen und in Zusammenarbeit mit „einigen der Top-Parfümeure“ 2003 seine erste Kreation Anvers heraus.

Erfolgreiche Nischenprodukte

„Aus floralen Noten wie Geranium, Veilchen, Jasmin, Sesam, Honig, Guave, Moschus und den Noten von Leder und Hölzern. Ein sehr männlicher Duft“, schwärmt Lang, „und bis heute ein Bestseller.“ Langs Mutter bevorzugt Anvers II: mit Zitrusnoten, Rhabarber, bulgarischer Rose, Bergamotte, Mimose, Jasmin. Für die Gestaltung der Verpackungen mit Porträts des Kunsthändlers Roger Szmulvic aus Antwerpen, französisch Anvers, konnte er die Fotokünstler Eric Swain und Katy Grannan gewinnen. Gerade schnuppert er sich an Kreation Nummer fünf heran: „frisch, aber nicht nur zitronig“.

„Das sind Nischenprodukte“, betont Lang, „aber sehr erfolgreich“: In Deutschland sei er jetzt in mehr als 40 Geschäften vertreten.

Ulrich Lang wohnt in Greenwich Village: fast so überschaubar und gemütlich wie Backnang. Wird er in New York bleiben? „Das weiß man nie“, meint er. Denn wie sang Frank Sinatra: „If I can make it there, I’ll make it anywhere.”

„Goodbye Ländle: Ein Duftdesigner in New York“ wird ausgestrahlt an diesem Dienstag, 23. Juli, 18.15 bis 18.45 Uhr, im SWR-Fernsehen. Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag folgen Filme über Sterne-Gastronomen, die von Schriesheim nach Südafrika auswanderten, einen Biobäcker aus Ulm, der nach Lima ging, und ein Ehepaar aus Baden, das eine Rinderfarm in Namibia betreibt. Heute ist Lang bereits von 10 bis 12 Uhr in der Radiosendung „SWR 1 Leute“ zu hören.