Nach zweijähriger Restaurierung schippert das historische Personenschiff „Ulmer Spatz“ wieder über die Donau. An Bord werden Menschen mit Behinderung zu Matrosen ausgebildet. Das Schiff soll langfristig ein fester Arbeitsplatz für sie sein. Ein Besuch beim schwimmenden Inklusionsprojekt.

Ulm - „Wir legen an“, ruft Kapitän Klaus Thanner und lenkt das Schiff Richtung Ufer. Thomas Müller klettert vom Boot auf den Landesteg, legt die Leine mit einem gekonnten Knoten um die Klampe und zurrt das Seil fest. „Geschafft!“ – das Boot liegt am Steg.

Müller ist einer von sieben Auszubildenden, die auf dem historischen Donauschiff „Ulmer Spatz“ zu Matrosen ausgebildet werden. Vor zwei Jahren kaufte die Lebenshilfe Donau-Iller das ausrangierte Schiff auf, um daraus eine schwimmende Ausbildungsstätte für Menschen mit Behinderung zu machen. Nach drei Jahren außer Dienst schippert das Boot seit diesem Dienstag nun wieder regelmäßig mit bis zu 34 Touristen über die Donau bei Ulm. Mit an Bord sind dann immer auch ein oder zwei Matrosen der Lebenshilfe, als Gehilfen des Kapitäns.

Das 1935 gebaute Ausflugsschiff „Ulmer Spatz“ war schon in der Nachkriegszeit auf der Donau unterwegs. 2011 wurde es ausgemustert – es entsprach nicht mehr den Vorgaben des Konstanzer Schifffahrtsamts. Für 15 000 Euro kaufte die Lebenshilfe das 13 Meter lange Schiff auf. In monatelanger Arbeit wurde der alte Kahn ab März 2013 komplett entkernt, entrostet und wieder aufgebaut. Sogar barrierefrei ist der „Spatz“ jetzt.

Bereits an der Generalüberholung waren – neben ehrenamtlichen Mitarbeitern und Fachleuten – auch Menschen mit Behinderung beteiligt. Ende März wurde das sanierte Schiff aus der Neu-Ulmer Werkstatt geholt und mit Hilfe eines schweren Krans ins Wasser gelassen. In der vergangenen Woche erhielt es nun auch seine offizielle Zulassung, am Sonntag wurde es offiziell getauft – der „Ulmer Spatz“ darf nach dreieinhalb Jahren also wieder als Passagierschiff auf der Donau fahren.

Insgesamt knapp 300 000 Euro haben Kauf und Restauration gekostet – knapp die Hälfte davon konnte die Lebenshilfe durch Spenden und Fördermittel abdecken. Keine leichtfällige Investition, sagt Jürgen Heinz, Geschäftsführer der Lebenshilfe. Die lohne sich seiner Ansicht nach aber für das „Leuchtturmprojekt“: „Unser Ziel ist es, Menschen mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen, also mit Vermittlungshemmnissen, langfristig in ein geregeltes Beschäftigungsverhältnis zu führen“, so Heinz.

Die Matrosen werden zwar momentan noch über die Lebenshilfe angestellt, sollen aber auf lange Sicht hin einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz haben. Das Projekt schaffe Wertschätzung für die Auszubildenden auf dem Schiff, so Heinz: „Verschiedenheit muss auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sonst kann Inklusion nicht klappen.“

Die Auszubildenden jedenfalls sind stolz auf ihre neue Arbeit. „Als Matrose übernimmt man eine große Verantwortung und macht dazu noch was für die Gesellschaft“, sagt Thomas Müller. Der 31-Jährige war von Beginn an beteiligt, hat mit restauriert, hat gelernt, wie man Knoten legt, das Schiff ankert, Fahrkarten verkauft oder den Touristen etwas zu den Ulmer Attraktionen erzählt, die vom Boot aus zu sehen sind.

Seit Monaten lernen die sieben Auszubildenden auch theoretisch, was ein Matrose so können muss. Dafür hat die Lebenshilfe einen Lehrplan in vereinfachter Sprache entwickelt. Auch eine Prüfung mussten die sieben Matrosen schon ablegen – in der nun beginnenden Schifffahrtssaison werden die Auszubildenden dann praktisch an die eigenständige Arbeit auf dem Schiff herangeführt.

Der „Spatz“ hat wieder abgelegt. Thomas Müller übernimmt das Steuer, lenkt das Schiff unter Aufsicht des Kapitäns die Donau entlang. Er freut sich auf die Arbeit an Bord und mit den Touristen – „einfach draußen zu sein und sagen zu können, dass man was bewerkstelligen kann“.

Info: Der „Ulmer Spatz“ fährt von Mai bis Oktober bei Normalwasser ab dem Anlegesteg am Metzgerturm mehrmals täglich: Dienstag bis Freitag zwischen 12.30 und 17 Uhr, Samstag und Sonntag startet die erste Rundfahrt bereits um 11 Uhr. Mehr unter www.ulmer-schifffahrt.de.