Der Krieg in der Ostukraine fordert immer wieder Tote und Verletzte. In der Nähe eines prorussischen Checkpoints kamen hier bei den Kämpfen in Elenowka in der Nähe von Donetzk mehrere Menschen ums Leben. Foto: dpa

Seit vier Jahren tobt in der Ostukraine der Krieg. Botschafter Andrij Melnyk fordert mehr Druck des Westens auf Russland.

Stuttgart - Die Wiederwahl Wladimir Putins sei eine „Katastrophe“ für die Ukraine, sagt Andrij Melnyk, Botschafter Kiews in Berlin. Es müsse nun mehr getan werden, damit der russische Präsident den wirtschaftlichen „Preis dieses Krieges“ am eigenen Leibe zu spüren bekomme.

Seit vier Jahren herrscht Krieg im Osten des Landes. Wie ist die Situation in der Ukraine?
Die Lage ist nach wie vor verheerend. Es ist ein heißer Krieg, fast jeden Tag wird über tote oder verletzte Soldaten und auch Zivilisten berichtet. Aus diesem Grund muss die neue Bundesregierung dringend handeln. Wir hoffen, dass die Friedensbemühungen Deutschlands, die wir immer sehr geschätzt haben, möglichst schnell intensiviert werden. Zur nachhaltigen Lösung führt nur der diplomatische Weg.
Es ist auch ein vergessener Krieg – zumindest im Westen Europas.
Gerade deswegen muss ein Durchbruch geschehen, wir dürfen uns nicht an diesen blutigen Krieg mit über 10 300 Opfern und weiteren menschlichen Verlusten gewöhnen. Wenn nötig muss man auch mit harten Bandagen an die Lösung gehen. Es genügt nicht abzuwarten, dass der russische Präsident endlich liefert und den Minsker Vertrag erfüllt. In dieser Situation kann man nicht über den Abbau von Sanktionen sprechen, wie das von Politikern in Deutschland immer wieder vorgeschlagen wird. Die Russland-Sanktionen müssen aus unserer Sicht sogar noch verschärft werden.
Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin fordert sogar Sanktionen gegen den Altkanzler Gerhard Schröder. Überzieht er damit nicht ein bisschen?
Als Aufsichtsratsvorsitzender von Rosneft hat sich der Altkanzler ja selbst entschieden, für einen Öl-Konzern zu arbeiten, der seit 2014 bis heute auf der EU-Sanktionsliste angesichts der aggressiven Politik Russlands gegen die Ukraine steht. Was mein Minister in diesem Zusammenhang anregen wollte, ist eine breite öffentliche Diskussion anzustoßen, wie man mit solchen Lobbyisten umgehen sollte. Rosneft ist ja der größte Steuerzahler in Russland, mit diesem Geld wird seit vier Jahren der Krieg gegen mein Land finanziert.
Die Ukraine versucht – auch gerade wegen des Krieges – die Kontakte nach Westeuropa auszubauen. In Baden-Württemberg haben viele Firmen seit Jahren gute Beziehungen zu dem Land, kann das nützlich sein?
Es ist eine Schande, dass wir nach 26 Jahren noch immer nicht in Stuttgart vertreten sind. Wir hoffen, dass wir in absehbarer Zeit ein Honorar- oder sogar ein Berufskonsulat einrichten können. Der Grund ist naheliegend. Für uns ist Baden-Württemberg politisch und wirtschaftlich genauso bedeutend wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen, wo wir bereits präsent sind. Im letzten Jahr hatten wir ein Handelsvolumen zwischen der Ukraine und Baden-Württemberg in Höhe von über 678 Millionen Euro. Für uns ist dieses Bundesland wichtiger als viele europäische Staaten. Wir wollen auch die politischen Gespräche ausbauen und hoffen, dass wir eine baden-württembergisch-ukrainische Regierungskommission ins Leben rufen können und dass die Spitze der Landesregierung im kommenden Jahr in die Ukraine reist.
Mit der AfD ist eine sehr Russland-freundliche Partei in den Bundestag eingezogen. Fürchten sie, dass diese Haltung andere Abgeordnete in Berlin beeinflussen könnte?
Die Gefahr sehen wir sehr wohl. Aber nicht alle Abgeordnete in der AfD-Fraktion tragen diese Position mit. Es gibt auch vernünftige Köpfe und wir haben den Dialog mit AfD-Politikern schon vor einiger Zeit begonnen. Unsere Hoffnung ist, dass sich die besonnen AfD-Abgeordneten im Bundestag durchsetzen werden. Die AfD soll ja verstehen, dass sie als die größte Oppositionspartei im Parlament dem Anspruch der Neutralität gerecht werden muss, damit die neue Bundesregierung als Vermittler im ukrainisch-russischen Krieg erfolgreich agieren könnte. Diese wichtige Aufgabe müsste auch die Opposition mittragen.
Uns stehen nun sechs neue Jahre mit Wladimir Putin bevor. Was bedeutet das für den Krieg in der Ukraine?
Das ist eine Katastrophe undein echter Albtraum für uns Ukrainer. Es war ja Putin, der diesen Krieg im unseren Land entfacht hat. Wir haben keine Illusionen mehr, dass er dieses Blutbad ohne den starken politischen Druck beenden wird. Wir müssen nun alles dafür tun, dass der Kreml-Herr und sein Regime einen hohen wirtschaftlichen Preis für diesen Krieg endlich auch zu spüren bekommt. Das kann nur mit Hilfe von Berlin, Paris, Washington und anderen Partnern geschehen. Der Schaden für diese Aggression muss für Russland so hoch werden, dass Putin endlich beginnt zu deeskalieren und sich aus dem ukrainischen Raubzug zurückzuziehen.