Ukraine-Demo am Schlossplatz Foto: jse

Als Reaktion auf die russischen Luftangriffe haben sich am Montagabend auf dem Stuttgarter Schlossplatz mehrere Hundert Demonstranten versammelt. Und nicht nur dieser Auftritt war eindrücklich.

Den Menschen aus der Ukraine zuhören“. Dazu rät der ukrainische Autor Serhij Zhadan bei seinem eindrücklichen Auftritt am Montagabend im voll besetzten Literaturhaus. Doch zuhören können scheint gar nicht so leicht, wie man zuvor bei einer Kundgebung auf dem Schlossplatz feststellen kann. Unter dem schockartigen Eindruck der russischen Luftangriffe auf zahlreiche ukrainische Städte hat die ukrainische Community spontan zu einer Demo aufgerufen. „Wir bedanken uns bei der Stadt , dass sie das kurzfristig möglich gemacht hat“, sagt eine Sprecherin. Mehrere Hundert Menschen sind gekommen. Sie versammeln sich an der Ecke Bolzstraße/Königstraße am Denkmal Herzog Christophs – ganz überwiegend Ukrainerinnen und Ukrainer. Mit blau-gelben Fahnen.

Bangen um Angehörige und Freunde

Entfernt erinnert die Situation an die spontane erste Demonstration in Stuttgart am Tag des russischen Einmarsches am 24. Februar. Wie damals begegnen einem Entsetzen, Betroffenheit und Wut. Viele der Demonstranten bangen um Angehörige und Freunde. Einige haben Tränen in den Augen. Eine Frau erzählt, wie ihre Schwester in der Nähe von Kiew mit ihrem kleinen Kind den Tag über in einem Bunker verbracht hat aus Angst vor weiteren Angriffen. Wer zuhören will, kann zuhören und dabei einiges erfahren. Trotzdem hören und schauen viele Passanten weg oder machen einen Bogen um die Kundgebung. Ein Motorradfahrer lässt absichtlich seine Maschine aufheulen, als er an den Demonstranten vorbeirollt.

Die Montagsdemonstranten gehen ihrer Wege

Mit dem Zuhören haben an diesem Montagabend auch die Montagsdemonstranten ihre Schwierigkeiten. Es kommt zu der bizarren Situation, dass S-21-Gegner mit Pauken und Trompeten und großem Banner unmittelbar an der ukrainischen Kundgebung vorbeiziehen. Von der eingeübten Route und den ausgetretenen Pfaden weicht man augenscheinlich nicht ab. Die Ukrainer reagieren irritiert. Sie werden ihrerseits lauter: „Schwere Waffen sofort!“, skandieren sie minutenlang. Und: „Schließt den Himmel!“, „Russland ist ein Terrorist!“ Manche Stimmen überschlagen sich. Doch auch leise Stimmen sind zu hören. „Wir stehen hier für unsere Landsleute“, sagt eine Frau. Dann erklingt die ukrainische Hymne.

Energiegeladen, intensiv, furchtlos

Allen gemeinsam ist diese auffallende Unbeugsamkeit, von denen der in Charkiw lebende Serhij Zhadan später im Literaturhaus sagt, genau das sei es, was die Machthaber in Moskau am meisten irritiere: „Wir haben keine Angst.“ Im Publikum sitzen etliche seiner Landsleute, die vorher auf dem Schlossplatz demonstriert haben, und hören ihm, dem Schriftsteller und Musiker, aufmerksam zu. Am Ende stehen sie auf und tanzen. Mit seiner Band legt Zhadan einen furiosen Auftritt hin. Energiegeladener, intensiver, furchtloser kann eine Demonstration kaum sein.