Die Separatisten bieten aufgrund der schweren Gefechte in Donezk eine Feuerpause an. Der Westen erhebt indes in der Ukrainekrise den Zeigefinger gegenüber Russland und Moskau. Er droht mit Gegensanktionen.

Die Separatisten bieten aufgrund der schweren Gefechte in Donezk eine Feuerpause an. Der Westen erhebt indes in der Ukrainekrise den Zeigefinger gegenüber Russland und Moskau. Er droht mit Gegensanktionen.

Washington/Berlin/Kiew - Der Westen hat Russland eindringlich vor einer Intervention in der Ukraine unter dem Vorwand humanitärer Hilfe gewarnt. In einem Telefongespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow machte US-Außenminister John Kerry am Samstag deutlich, dass internationale Organisationen dafür am besten geeignet seien. Russland solle davon absehen, „unter dem Vorwand der Friedenssicherung zu intervenieren“, sagte Kerry nach Angaben des US-Außenministeriums.

In diesem Punkt hatten sich zuvor bereits US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat abgestimmt. Beide hätten darin übereingestimmt, „dass jede russische Intervention, auch zu angeblichem humanitären Zweck, ohne die förmliche, ausdrückliche Zustimmung und Genehmigung der Regierung der Ukraine inakzeptabel ist (...) und zu zusätzlichen Konsequenzen führen würde“, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Diese Einschätzung vertraten auch US-Vizepräsident Joe Biden und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in einem Telefonat.

Merkel telefoniert mit Poroschenko

Nach Angaben des Bundespresseamts telefonierte Merkel auch mit Poroschenko über russische Pläne, einen humanitären Konvoi in die Ostukraine zu entsenden. Man habe darin übereingestimmt, dass ein solcher Konvoi nur unter der Ägide des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und mit Zustimmung der ukrainischen Regierung stattfinden könnte.

Das Präsidialamt in Kiew teilte mit, die Führung der Ukraine würde ein mögliches Engagement des Internationalen Roten Kreuzes und der Bundesregierung begrüßen. Den Angaben aus Kiew zufolge geht es vor allem um die Großstadt Lugansk, in der Hunderttausende seit Tagen ohne Strom und Wasser ausharren sollen.

Nach dem russischen Einfuhrverbot für Lebensmittel warnt Moskau den Westen vor einer weiteren Zuspitzung der Krise. Sollten die EU und die USA im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland verhängen, werde Moskau reagieren, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag in Sotschi. Russland hatte zuletzt etwa ein Überflugverbot für ausländische Airlines nicht ausgeschlossen. Peskow wies ukrainische Vorwürfe einer militärischen Provokation an der Grenze zurück. „Es gab keine Versuche russischer Truppen, auf ukrainisches Territorium zu gelangen“, sagte er.

Die prowestliche Führung in Kiew warf Moskau hingegen „aggressive Militärmanöver“ vor. Eine große Kolonne von Armeefahrzeugen sei bis fast auf ukrainisches Gebiet vorgedrungen, sagte der Vizechef der Präsidialverwaltung in Kiew, Waleri Tschaly. „Sie wollten den totalen Konflikt provozieren“, meinte er. Poroschenko habe die Militärführung zu Beratungen einberufen.

In der umkämpften Ostukraine gingen unterdessen die Gefechte zwischen den Regierungseinheiten und prorussischen Aufständischen mit großer Härte weiter. Die Aufständischen teilten mit, sie seien zu einer Feuerpause bereit. Während einer befristeten Waffenruhe sollten Zivilisten das Konfliktgebiet verlassen, zudem könnten Verwundete versorgt werden. Die Regierung in Kiew reagierte zunächst nicht auf das Angebot.

In 24 Stunden 13 Soldaten getötet worden

Innerhalb von 24 Stunden seien 13 Regierungssoldaten getötet worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Bereits am Freitag waren 15 Armeeangehörige ums Leben gekommen. Granatsplitter töteten in Lugansk ein sechsjähriges Mädchen, wie die Behörden mitteilten. Sechs weitere Zivilisten wurden verletzt. In Donezk starb bei Schießereien ein Mann, der zwischen die Fronten geraten war.

Granaten beschädigten erneut zahlreiche Wohnhäuser. In Lugansk waren weiter Hunderttausende ohne Strom und Wasser. „Die Lage bleibt kritisch“, teilte der Stadtrat mit. Kremlsprecher Peskow forderte die Führung in Kiew mit Nachdruck auf, eine humanitäre Katastrophe im Osten zu verhindern. Russland sei zutiefst beunruhigt über die Lage.

Wegen der Kämpfe ruht auch die Arbeit am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH17. „Die Front führt direkt über das Trümmerfeld. Die Situation ist wie Treibsand - die Lage ändert sich stündlich“, sagte der Vizechef des OSZE-Einsatzes, Alexander Hug, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa in Wien. Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollten schnell zurückkehren. Es gehe darum, das 35 Quadratkilometer große Gebiet bei Grabowo für Experten abzusichern. „Wir sind Wegbereiter“, sagte Hug.