Die massive Zerstörung vor Ort hat auch langfristige Folgen für die Umwelt. Foto: mago/Ukrinform/Vyacheslav Madiyevskyy

Kommt es zu einem Krieg, werden die politischen und wirtschaftlichen Folgen thematisiert. Die Auswirkungen auf die Umwelt geraten angesichts der Toten, Verletzen und Menschen, die ihre Heimat verlieren, in den Hintergrund. Sie sind jedoch gravierend.

Sobald es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, sind die ökologischen Folgen vielfältig: Verminte Landstriche, verdichtete Böden durch schwere Kriegsfahrzeuge, zerstörte Naturschutzgebiete. Manche Auswirkungen sind lokal und zeitlich begrenzt, andere wirken über Landesgrenzen und den Kriegsverlaufs hinaus. „Bei der Zerstörung von Infrastruktur werden klimaschädliche und giftige Schadstoffe freigesetzt, die sich auf das Grundwasser und die landwirtschaftlichen Produkte, die Atmung und somit die Gesundheit der Menschen auswirken“, erklärt Astrid Sahm von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Da das Grundwasser in Meeressysteme gelangen könne und in Nahrungsmitteln exportiert werde, würden sich die Folgen nicht nur auf das betroffene Land begrenzen, sagt die Wissenschaftlerin.

Der Klimaschutz rückt in den Hintergrund

In Kriegszeiten treten Themen wie die fortschreitende Erderwärmung in den Hintergrund: Klimaschutzverhandlungen finden nicht statt, zukünftige gemeinsame Projekte werden durch Verfeindungen nicht beschlossen. Jahrzehntelange gemeinsame Zusammenarbeit wie beispielsweise die Erforschung des Permafrosts in Sibirien, eine deutsch-russische Kooperation, werden gestoppt.

Der Klimawandel als Bedrohungsmultiplikator

Klimawandel und Kriege lassen sich nicht separat denken, sondern wirken wechselseitig aufeinander. „Klimaprobleme verursachen Konflikte, Kriege führen zu neuen Umwelt- und Klimaschäden, und Kriege binden Ressourcen, die dann für den Klimaschutz fehlen“, erklärt Sahm. Beispiele sind die brennenden Ölfelder im zweiten Golfkrieg 1991, die zwei Prozent des weltweiten, jährlichen CO2-Ausstoßes verursachten. Die extreme Dürre in Syrien zwischen 2006 und 2011, die laut Forschern der University of California letztlich zur Eskalation des Konflikts führte.

Allein der Irakkrieg 2003 wurde nach Angaben der Organisation „Oil Change International“ mit 141 Millionen Tonnen CO2 berechnet, direkte Kriegskosten hätten der USA-Regierung ermöglicht, 25 Prozent der Energieproduktion auf Windkraft umzustellen und eine Milliarde CO2-Emissionen zu sparen.

Verbot von umweltschädigenden Kriegen im Völkerrecht verankert

Dass Kriege weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt haben, ist lange bekannt und juristisch beschrieben. „Im internationalen Recht, auch als Teil der Genfer Konvention, gibt es das Verbot, Umweltschäden bewusst herbeizuführen, um Vorteile in den Kriegshandlungen zu erzielen“, sagt Sahm. Laut Artikel 35 des Genfer Abkommens sind Methoden und Mittel der Kriegführung verfassungswidrig, bei denen anzunehmen ist, „dass sie ausgedehnte, lang anhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursachen“. Um von Russland später Schadensersatz fordern zu können, dokumentieren das ukrainische Umweltministerium und Umweltgruppen ökologische Folgen in der Ukraine. Seit dem 24. Februar 2022 zählte die zivilgesellschaftliche Organisation „EcoAction“ auf Basis von Medienberichten 841 russische Umweltverbrechen, die jedoch noch nicht unabhängig verifiziert wurden.

Wiederaufbau als Chance

Astrid Sahm sieht neben den gefährlichen Folgen für den Klimaschutz eine Chance. Für den Wiederaufbau braucht es zwar eine große Menge an Beton. Ein Material mit hohem CO2-Ausstoß. Aber: „Die Ukraine hat die Chance, den Wiederaufbau nach den entsprechenden grünen Wirtschaftsprinzipien im Sinne des europäischen Green Deals zu machen.“ Die EU hat im Green Deal das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, festgeschrieben. Die Ukraine hatte sich diesen Zielen angeschlossen.

Den nachhaltigen Aufbau könne man beispielsweise mit einer Kreislaufwirtschaft, energieeffizienter Technologie, gedämmten Häusern und modernerer Industrie erreichen. Dadurch ließe sich ein Teil der Umweltschäden ausgleichen, sagt Sahm.

Nachhaltige Lösungen vor Ort

Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Deutschland eine Debatte über die Abhängigkeit von Gasimporten angestoßen. „Wir müssen uns grundsätzlich fragen, wie wir Energieressourcen aus Russland ersetzen. Es werden neue Importe diskutiert, aber es gibt insgesamt zu wenig Bereitschaft, Energieressourcen hier zu nutzen“, sagt sie. „Fracking ist hier das eine Thema, wir importieren, aber sind nicht bereit, diese Methode hier zu nutzen. Wenn wir einen bestimmten Lebensstandard mit entsprechendem Energieverbrauch wollen, dann können wir das nicht auf Kosten Dritter machen und brauchen möglichst viele nachhaltige Lösungen direkt bei uns vor Ort“, sagt Sahm. Die Anstrengungen müssten verstärkt werden, wie Energiegewinnung umweltfreundlicher werde, dazu gehöre auch die Bereitschaft, dass eine Windkraftanlage in der Nähe des eigenen Wohnortes stehe.

Die Bilder von Zerstörung und Leid in den Nachrichten lassen die Zuschauenden oftmals machtlos zurück. „Es scheint, als könnten einzelne Menschen nicht viel ausrichten. Aber wenn jeder das macht, was er tun kann, ist das gleichzeitig auch wieder viel“, sagt Sahm. Dazu gehöre, energieeffizient zu leben, CO2-Emissionen zu reduzieren, möglichst regional einzukaufen, sich bewusst zu informieren und sich an politischen Debatten zu beteiligen.