Unnachgiebig: Kreml-Chef Wladimir Putin Foto: Agentur

Mit voller Wucht ist die Ukraine-Krise seit dieser Woche wieder zurück in den Schlagzeilen – und Kremlchef Wladimir Putin tut alles, um den Konflikt zu schüren

Moskau/Berlin/Kiew - Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem Moskau-Besuch wohl nichts erreicht. Zwar bat ihn nach dem russischen Außenminister Sergej Lawrow auch Wladimir Putin zum Gespräch – eigentlich empfängt der Präsident nur Staats- und Regierungschefs –, aber die Differenzen bleiben.

Zu den Ereignissen der vergangenen acht Monate gebe es gravierend unterschiedliche Wahrnehmungen, beklagte Steinmeier am Mittwoch in Berlin. Jenseits der öffentlichen Debatten müsse ein Punkt gefunden werden, um wieder in die Umsetzung der Vereinbarung von Minsk einzusteigen. „Ob das jetzt Konsequenzen haben wird, das werden wir in zwei, drei Wochen sehen“, sagte er. In der Sache, so hieß es in seiner Umgebung, habe es „keinen Millimeter Fortschritt“ gegeben.

Optimismus ist nicht angezeigt, in der Ukraine-Krise zeigt der Bär seine Krallen. Das Interview, das Putin dem NDR-Journalisten Hubert Seipel vor Wochenfrist gegeben hat, enthielt unverblümte Kriegsrhetorik, so rational sich der Kremlchef in dem Gespräch auch gebärdete. Dem Allerweltssatz: „Das Wichtigste ist, dass man das Problem nicht einseitig betrachten darf“, folgte mit Blick auf den Einsatz der ukrainischen Armee im Osten des Landes eine hochbrisante Aussage: „Wir wollen das nicht, und wir lassen es nicht zu“, sagte Putin. Eine Kampfansage, wie sie klarer kaum sein kann.

Bereits im Sommer ließ Putin die Welt mit kriegerischen Tönen frösteln: „Wenn ich will“, soll er dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso am Telefon entgegengeschleudert haben, „nehme ich Kiew in zwei Wochen ein.“ Und er irritierte mit der Forderung, die Ukraine solle über die Eigenstaatlichkeit der prorussischen Rebellen im Osten des Landes verhandeln. Dabei erwähnte er den Begriff Neurussland – eine Vision für die Separatisten, eine offene Provokation für die Führung in Kiew, die die territoriale Integrität des Landes mit allen Mitteln bewahren will.

Attacken gegen die USA

Der russische Präsident setzt auf Konfrontation und teilt dabei auch gegen Amerika aus. Die USA wollten Russland unterwerfen, so Putin am Dienstag vor einer Gruppe einflussreicher Anhänger. „Das hat niemand in der Geschichte geschafft, und das wird niemand jemals schaffen“, sagte Putin – wohl eine Retourkutsche dafür, dass US-Präsident Barack Obama das Riesenreich als „Regionalmacht“ bezeichnet hatte.

Mit voller Wucht ist die Ukraine-Krise seit dieser Woche wieder zurück in den Schlagzeilen – und Putin tut alles, um den Konflikt zu schüren. Russische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge sind weltweit im Einsatz, und am Ostrand der Ukraine hat der Aufmarsch eine Dimension erreicht, die nicht nur in Kiew, sondern auch bei der Nato in Brüssel die Alarmglocken läuten lässt.

Nun ist Putin freilich so clever, seine Absichten als begreifbar, ja als einigermaßen berechtigt darzustellen. Dem deutschen Publikum präsentierte er sich in dem TV-Interview als der Weltenerklärer – und in der Tat, er hat einige Punkte in die Debatte geworfen, die durchaus nachdenklich stimmen. Richtig, nach der Flucht von Präsident Viktor Janukowitsch im Februar hat die neue Führung in Kiew schwere Fehler gemacht – den überwiegend russisch geprägten Osten des Landes hat sie arrogant überfahren, radikale Kräfte nicht in die Schranken gewiesen. Wenn sich Menschen heimatlos, ja verfolgt fühlen, suchen sie Hilfe – und da stand Russland mit offenen Armen bereit.

Westen zeigt Härte

Dem Versuch der russischen Regierung, die Dinge in der Ukraine nach ihren Vorgaben zu steuern, widersetzen sich Kiew und der gesamte Westen aber nach Kräften. Sanktionen gegen Russland wurden verhängt und nach und nach verschärft, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko unterstreicht immer wieder die europäische Orientierung seines Landes.

Und trotz schärfster Warnungen Russlands bekräftigte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin wieder den Nato-Kurs seines Landes. „Die politische und wirtschaftliche Integration in die EU ist ohne Beitritt der Ukraine zur Nato keine Antwort auf die vorhandene Lage“, sagte er mit Blick auf die andauernden Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Separatisten im Osten. Inzwischen ist man dort bei mehr als 4000 Toten. Von Gesprächen mit den Separatisten, wie sie Moskau vorschlägt, hält Kiew nichts. Man will die Rebellen nicht aufwerten.

Kann angesichts dieser unversöhnlichen Positionen eine friedliche Lösung des Konflikt gefunden werden? Steinmeier wirkt mehr und mehr ratlos. „Wir erleben in der Ostukraine einen empfindlichen Rückschlag. Ende September waren wir viel weiter“, sagte er vor wenigen Tagen in einem Interview. Auch der Moskau-Besuch hat ihm keinerlei Hoffnung gemacht. „Wir sind nach Lage der Dinge leider, leider immer noch weit entfernt von einer Entschärfung – und noch weiter von einer politischen Lösung“, sagte Steinmeier. Zugleich warnte er aber davor, den Waffenstillstand im Osten der Ukraine für gescheitert zu erklären.

Der Außenminister ist in tiefer Sorge: Es gehe um mehr als den Ukraine-Konflikt, sagte er bei seiner Moskau-Visite. Nach dem Ende des Kalten Kriegs drohten erneut Sprachlosigkeit statt Dialog, Konfrontation statt Kooperation.

Entspannungssignale sind allerdings von Putin einstweilen kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Am Anfang der Woche sprach Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von einer „ernsthaften militärischen Verstärkung“ der russischen Truppen im Konfliktgebiet.